Unspektakulärer Auftaktband

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Noch vor wenigen Jahren wäre Serafina „Fina“ Plank mit ihrer Körpergröße von 1,60 m nicht als Polizistin eingestellt worden. Als Frau in einer Männerdomäne arbeitet sie jedoch bei der Wiener Mordkommission, wo sie als einzige weibliche Ermittlerin einen schweren Stand hat- Kollege Oliver macht ihr mit chauvinistischen Sprüchen das Leben schwer. Als eine berühmt-berüchtigte Ansagerin des privaten Fernsehsenders „Quick TV“ unfreiwillig live ihre eigene Ermordung ankündigt und kurz darauf tatsächlich tot aufgefunden wird, muss Fina ihr ganzes Können unter Beweis stellen…

Mit „Stille blutet“ hat Ursula Poznanski den Auftaktband zur „Mordgruppe 1“ – Reihe vorgelegt. Der Roman wird vom Verlag als Thriller vermarktet. Richtig spannend wurde der plot aber erst, nachdem ich circa 73 Prozent der Geschichte gelesen hatte, daher würde ich das Ganze eher als Krimi bezeichnen. Von einem Thriller erwarte ich definitiv mehr Tempo und Nervenkitzel. Es gibt einen auktorialen Erzähler und eine ominöse zweite Erzählstimme, welche jeweils mit Trakl-Zitaten angekündigt wird.
Die Figurenzeichnung ist leider einigermassen konventionell gehalten. Auch die auftretenden Konflikte kennt man bereits aus anderen Krimis – ein sexistischer „Platzhirsch“ mobbt seine junge Kollegin, es gibt den Aufsteiger mit ausländischen Wurzeln, der Hauptverdächtige ist nicht unbedingt sympathisch und arbeitet in der oberflächlichen Werbebranche. Poznanski schneidet viele Themen an und vertieft doch kein einziges. Die Gefahr, die von den neuen Medien ausgeht und die Macht von Influencern und Bloggern wird angeprangert. Virtuelle Shitstorms und Hashtags (#inkürzetot) beeinflussen das reale Leben. Um tatsächlich am Puls der Zeit zu sein, hätte Poznanski woke Kampagnen und das Gendern ins Visier nehmen müssen – so wirkt das Ganze fast ein wenig altmodisch.
Die Protagonistin Fina war mir sympathisch, wenn sie sich jedoch als pummelige Polizistin nicht traut, in der Öffentlichkeit zu naschen und im stillen Kämmerlein an ihren Exfreund denkt, schmälert dies das Lesevergnügen. Ich als Leserin war leicht genervt, obwohl die Absicht der Autorin sicher edel ist – bodyshaming ist doof. Insgesamt fehlt es einfach an Raffinesse. Die Auflösung war wirklich konstruiert, es gibt unglaubwürdige Elemente in der Geschichte. Mit einem Cliffhanger lässt sich Poznanski ein Hintertürchen offen, was zwar spannend, erzähltechnisch aber nicht besonders elegant ist. Auch die Identität der geheimnisvollen zweiten Erzählstimme wird nicht enthüllt, dies soll den Leser oder die Leserin offensichtlich bei der Stange halten. Das österreichische setting fand ich dennoch klasse. Die Grundidee – Mord mit Ankündigung- weckte sofort mein Interesse. Leider konnte die Umsetzung nicht halten, was der ‚Aufhänger‘ versprach, dabei hätte die Autorin aus dem Stoff viel mehr machen können. Der Roman wirkt auf mich wie mit „angezogener Handbremse“ oder wie „nebenher“ geschrieben. Georg Trakl hat das Ganze in meinen Augen „gerettet“. Ich hoffe, dass Ursula Poznanski sich in Zukunft mehr Mühe geben wird; Fina Plank ist eine Figur mit Potential und Wien als Handlungsort ist schwer zu toppen. Auf Band zwei der Reihe bin ich trotz diverser Kritikpunkte gespannt!