Wer entscheidet, wer ein Monster ist?

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barbarasbuecherbox Avatar

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Als Medusa als Baby zu den Gorgonen gebracht wird, sind diese von den Äußerlichkeiten des kleinen Mädchens überrascht: Medusa ist sterblich und bis auf ihre Flügel unterscheidet sie nichts von einem Menschen. Trotzdem lieben die älteren Gorgonen ihre kleine Schwester.
Als diese dann von dem einen Gott geschändet und von dem anderen verflucht wird, brechen die Gorgonen mit den Göttern. Und als sich ein Sohn Zeus‘ aufmacht, den Medusenkopf zu stehlen, müssen sie sich der Macht der Götter entgegenstellen.

Die Geschichte Medusa’s war mir nur teilweise bekannt. Natürlich: jeder kennt sie – die Frau mit dem Schlangenhaar und dem versteinernden Blick. Aber um ehrlich zu sein wusste ich kaum etwas über ihren Widersacher Perseus (der in der Geschichte im Übrigen nicht gut wegkommt …).
Das führte natürlich dazu, dass ich es extrem spannend fand: ich wollte wissen, was mit Medusa passiert ist – und Leute, es hat mir so gut gefallen!
Ich bin ein großer Fan von erwachsenen Nacherzählungen griechischer Sagen, klassischer Märchen oder nordischer Mythologie. Daher hatte ich natürlich ziemlich hohe Erwartungen an Stone Blind. Dass es mir aber so gut gefällt, hätte ich nicht gedacht.
Die Gorgonen sind zurückgezogene Wesen: sie leben an ihrer Küste für sich. Als Medusa zu ihnen trifft, tun sie alles, um das zerbrechliche Kind zu beschützen. Sie züchten Schafe, um sie zu ernähren. Sie backen Brot und wiegen das Baby in ihren Armen. Als Medusa älter wird, wird sie zu einer liebenswerten jungen Frau, die auch in den Gorgonen Schönheit findet. Als Poseidon sie schändet, geschieht das, weil Medusa jemand anderes beschützen will. Dass sie dann auch noch verflucht wird, ist der Gipfel der Grausamkeit. Ich hatte selten so großes Mitgefühl mit einer Figur wie mit ihr, denn in Film und Fernsehen wird Medusa immer als „böse“ und als Monster dargestellt. Und das ist sie hier kein bisschen.
Der Schreibstil ist modern (nicht so modern wie in Der Penelopiade von Margaret Atwood, aber auch nicht so klassisch wie in Circe von Madeleine Miller) und die Geschichte wirkt dadurch mehr wie Fantasy als angestaubte Sage. Das mag vielleicht dem ein oder anderen nicht gefallen, ich fand es aber wunderbar.
Aufgrund der Vielzahl der handelnden Personen ist es gut, wenn man zumindest ein vages Wissen über die Götter hat. Athene, Poseidon, Hephaistos, Zeus und Poseidon nehmen wichtige Rollen in der Geschichte ein und tun Dinge, die sie eben tun, weil sie die jeweiligen Figuren sind (ich habe nebenbei immer wieder gegoogelt, Hephaistos z. B. war mir zuvor nicht bekannt).
Von mir gibt es eine große Empfehlung für dieses Buch: eine Geschichte, die mir wirklich ans Herz gegangen ist und in mir immer wieder großen Hass auf die Götter und deren Nachkommen geweckt hat. Und große Liebe für die „Monster“.