Ein literarisches Vexierbild ....

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"Strafe" ist im btb-Verlag (Mai 2015) erschienen und wurde von Paula Polanski (ein Pseudonym einer deutschen Autorin) und dem Erfolgsautor Hakan Nesser gemeinsam geschrieben: Es handelt sich um einen wirklich ungewöhnlichen Roman, der stimmigerweise in Teil I - III unterteilt ist. Klappt man das Buch auf, ist ein Briefumschlag angedeutet (rot/weiß); denn mit einem Schreiben an den Schriftsteller Max Schmeling beginnt die Handlung des Romans... Das Cover hat eher Krimi-Charakter, der Handlungsverlauf mündet auch in einen solchen - nur eben auf sehr subtile und außergewöhnliche Weise.

"Ein Brief aus der Vergangenheit. Der Auftakt für ein ungewöhnliches Verbrechen" (Zitat vom Buchrücken)

Meine Meinung:
Wir lernen Max Schmeling kennen, ein oft einsamer, alternder (Erfolgs)-Schriftsteller, der seinen beruflichen Zenith überschritten hat und (in einer Art inneren Monologe, die sehr authentisch und nachvollziehbar, auch zuweilen emotional sind) mit seinen "Frauen" und dem jeweiligen Grund des Verlassenwerdens "abrechnet". Durch das Schreiben des ehemaligen Schulkameraden Tibor Schittkowski wird er durch dessen Bitte in die gemeinsame, lange zurückliegende Vergangenheit hineingezogen. Dazu hat er zuweilen weder die Lust noch die Zeit, aber der Sog des Manuskripts, das Tibor ihm aushändigt ("Bericht über mein Leben") lässt Max nicht mehr los...Tibor scheint eher auf der "Schattenseite des Lebens" zu stehen und personifiziert den "ewigen Verlierer", schon vom Vater als Hohlkopf deklariert, jedoch mit einer letzten Bitte, die nur Max Schmeling erfüllen kann...
Dieser scheint dann eher die "Sonnenseite" zu vertreten, da Erfolg und Wohlstand durch Schriftstellertum nicht ausblieben.
Im Kapitel II lernen wir Paula, die Tochter Tibor's kennen, die eine schwierige und einsame Kindheit und Jugend hatte , die infolge vieler Umzüge nie in der Lage war, stabile Freundschaften aufzubauen, die Mutter Paula's, Kristina, ist dabei "das Objekt der Begierde" für Max, da er als Jugendlicher die erste sexuelle Begegnung mit ihr hatte, um sie dann aus den Augen zu verlieren. Dieses Kapitel birgt eine gewisse Dramatik, da die Mutter Paula bis ins Erwachsenenalter an sich bindet, ein möglichst sorgenfreies Leben führen möchte und ihre Tochter nicht in ihr eigenes Leben "entlassen" kann - somit wird eine ziemlich missglückte Sozialisation beschrieben, die es allenthalben und allerorten tatsächlich gibt - und zuweilen betroffen macht.
In Kapitel III offenbart sich, wer hinter "Paula" steckt und wer sowie aus welchem Grunde die "Strafe" gemeinsam und mit großem Spaß unter griechischer Kykladensonne "ausgetüftelt" wurde... Und so hat Max Schmeling eine "Chance", um sein Leben zu schreiben, endlich EINMAL ehrlich und authentisch zu sein. So gibt Max "sein Bestes, das spürbar sein soll" (Zitatende).

Fazit:
Eine makabre Geschichte, in der nichts so ist, wie es den Anschein hat. Ein tiefgründiger Roman über die Möglichkeiten von Literatur und Abwegen, zu denen sie führen kann, genial konstruiert und stilistisch sehr gut aufgebaut, mit Krimielementen versehen und menschlicher Beobachtungsgabe, die von einem Seziermesser geführt sein könnte.
Faszinierend und auch spannend zu lesen; ein Roman voller unabsehbarer und sehr überraschender Wendungen, der mich auch an "Das geheime Fenster" mit Johnny Depp erinnerte... Eine klare Leseempfehlung und 4 wohlverdiente Sterne sowie 87° auf der Krimi-Couch von mir!