Der Tag der Abrechnung

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buecherfan.wit Avatar

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Im Roman “’Strafe” von Paula Polanski und Hakan Nessser erhält der Schriftsteller Max Schmeling einen von seinem Verlag weitergeleiteten Brief seines ehemaligen Klassenkameraden Tibor Schittkowski, den er seit etwa fünfundvierzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Schon damals fand er Tibor nicht besonders sympathisch. Der wenig beliebte Mitschüler hatte bei einigen den Spitznamen Scheißhaufen, eine Verballhornung seines Namens, die sich anbot. In dem Brief bittet Tibor um ein baldiges Treffen. Er leide an ALS und habe nicht mehr lange zu leben. Vor seinem Tod will er noch eine Sache erledigen. Dafür braucht er die Hilfe von Max. Er fordert nachdrücklich eine alte Schuld ein, da er ihm angeblich zweimal das Leben gerettet hat. Eher widerwillig nimmt Max telefonisch Kontakt zu ihm auf und erklärt sich in einem weiteren Gespräch dazu bereit, den “sterbenden Scheißhaufen Tibor Schittkowski” (S. 19) in Gimsen zu treffen. Max Schmeling wagt es trotz aller unguten Gefühle nicht, einem Sterbenden den letzten Wunsch abzuschlagen. Er ahnt nicht, dass es bei der ganzen Angelegenheit mehr um ihn selbst als um Tibor geht und von da an nichts mehr so sein wird wie zuvor.

Ich schätze Hakan Nesser als Autor sehr, und auch sein neuer Roman hat mich nicht enttäuscht. Als Koautorin erscheint Paula Polanski. Laut Verlagsmitteilung handelt es bei diesem Pseudonym um eine deutsche Publizistin, die Nesser bei einer seiner Lesereisen in Deutschland getroffen hat. Aus nachvollziehbaren Gründen wolle sie ihre Anonymität wahren. Das ist vielleicht so, vielleicht aber auch nicht. Pseudonyme sind im Verlagswesen voll im Trend - man denke nur an Nicolas Barreau und Jean-Luc Bannalec, die pseudofranzösischen Bestsellerautoren. Eine Autorin, die zugleich Protagonistin im Roman ist - das ist schon ungewöhnlich. Auf die Enthüllung der wahren Identität von Pauls Polanski wartet der Leser vegeblich. Mir kommt es allerdings eher so vor, als sei die Koautorin Polanski Teil der Fiktion. “Rache” ist ein überaus raffiniertes Verwirrspiel. Erst zum Schluss versteht der Leser, wie alles zusammenhängt.

Mir hat der spannende Roman sehr gut gefallen und ich empfehle ihn ohne Einschränkung weiter.