atmosphärisch und spannend
Was passiert, wenn man einen Stein ins Wasser wirft? Um die Einwurfstelle bilden sich Wellen, die sich konzentrisch ausbreiten. Je größer der Stein, desto größer die Wellen. Rebekka Frank wendet in ihrem neuen Generationenroman „Stromlinien“ (ET 25.3.) genau diesen Ripple Effect auf die Familie Eggers an. Sie zeigt, wie verheerend eine einzige Entscheidung sein und wie sie sich auf die gesamte Familie, die Menschen um einen herum sowie auf die folgenden Generationen auswirken kann.
Das Leben der Zwillinge Enna und Jale, 17 Jahre, wird, seit sie denken können, von diesem einen Countdown beherrscht. Nun haben sie endlich die Stunde Null erreicht: Ihre Mutter Alea wird nach 38 Jahren aus dem Gefängnis auf Hahnöfersand entlassen. Sie wollen sie morgens gemeinsam abholen, doch Jale ist nicht in ihrem Zimmer, und Alea taucht ebenfalls nicht auf. Für Enna und Oma Ehmi beginnt eine Suche, die sie nicht nur entlang der Elbmarsch und Lühe in ihrem kleinen Boot „Sturmhöhe“ führt und auf Kriegsfuß mit den „Bullen“ stellt, sondern auch in der Zeit zurück bis zu Ehmis Vater Gunnar geht. 1923, als Gunnar gerade einmal 14 Jahre alt ist, Armut und Hungersnot herrschen, trifft er eine unglückliche Entscheidung, die seine Zukunft völlig verändert und seine Familie sowie die folgenden Generationen bis ins Jahr 2023 prägt.
Enna, die bisher akzeptiert hat, dass niemand über die Vergangenheit spricht, verlangt nun nach Jales Verschwinden Antworten, will herausfinden, warum ihre Mutter so lange im Gefängnis bleiben musste und sie erneut verdächtigt wird, warum Oma Ehmi und ihre Zwillingsschwester Greetje nicht mehr miteinander reden und was möglicherweise ihr Vater mit allem zu tun hat. Ennas Suche nach Jale wird von Rückblicken in die Vergangenheit durchbrochen. Wir erleben Gunnar 1923 in dem alles entscheidenden Moment, sind in seinen letzten Lebensstunden 1978 an seiner Seite. Wir begleiten 1984 die junge Alea nicht nur bei ihrem fatalen Versuch, mit ihrem Verlust, ihrer Wut und Angst umzugehen, sondern spüren auch mit ihr die Konsequenzen nach. Frank entwickelt daraus eine Geschichte aus tragischen Fehlentscheidungen, Schuld und Buße, aber auch aus Liebe, Schwesternschaft und Treue immer verbunden mit der Natur, der Elbe, die weiten Marschlandschaften.
„Auf dem Rückweg schwiegen wir über all die Verletzungen, die meine Familie sich in Folge des Unglücks zugefügt hatte. Und immer war die Elbe da, verband uns, hielt uns trotz allem zusammen, ließ niemanden von uns los. […] Und Jale und ich […], ohne die geringste Ahnung zu haben, woher dieses Loch kam, das inmitten unserer Familie klaffte, inmitten von uns selbst. Es war tiefer als die Elbe an ihrer dunkelsten Stelle. Und sein Sog stärker als alle Strudel unseres Flusses.“
Die atmosphärischen Beschreibungen der Natur – insbesondere die bezaubernde Landschaft der Elbmarsch und des Alten Landes – und der Flusstiere sowie die Veränderungen und Eingriffe der Menschen über die Jahre finde ich sehr gelungen, erinnert gar an den „Gesang der Flusskrebse“. Sie zeigt, dass der Fluss nicht nur Schutz bietet und Lebensraum ist, sondern auch zur Gefahr werden und Leben nehmen kann. Dieses Ambivalente, das nebeneinander zweier Pole spiegelt sich auch in ihren Figuren wider, in den Zwillingen Enna und Jale sowie in Oma Ehmi und Tante Greetje. Sie sind so unterschiedlich wie Ebbe und Flut und gleichzeitig untrennbar miteinander verwoben.
Fazit
Die Ereignisse und verborgenen Geheimnisse, die sich wie Wellen über die Zeit ausbreiten und sich auf die Leben der Menschen legen, habe ich sehr, sehr gerne entschlüsselt. Franks „Stromlinien“ ist eine wunderbar erzählte Familiengeschichte – atmosphärisch und spannend! Und was ist das für ein toller Umschlag! Ein Genuss nicht nur für die Augen, anfassen ausdrücklich gewünscht!
Das Leben der Zwillinge Enna und Jale, 17 Jahre, wird, seit sie denken können, von diesem einen Countdown beherrscht. Nun haben sie endlich die Stunde Null erreicht: Ihre Mutter Alea wird nach 38 Jahren aus dem Gefängnis auf Hahnöfersand entlassen. Sie wollen sie morgens gemeinsam abholen, doch Jale ist nicht in ihrem Zimmer, und Alea taucht ebenfalls nicht auf. Für Enna und Oma Ehmi beginnt eine Suche, die sie nicht nur entlang der Elbmarsch und Lühe in ihrem kleinen Boot „Sturmhöhe“ führt und auf Kriegsfuß mit den „Bullen“ stellt, sondern auch in der Zeit zurück bis zu Ehmis Vater Gunnar geht. 1923, als Gunnar gerade einmal 14 Jahre alt ist, Armut und Hungersnot herrschen, trifft er eine unglückliche Entscheidung, die seine Zukunft völlig verändert und seine Familie sowie die folgenden Generationen bis ins Jahr 2023 prägt.
Enna, die bisher akzeptiert hat, dass niemand über die Vergangenheit spricht, verlangt nun nach Jales Verschwinden Antworten, will herausfinden, warum ihre Mutter so lange im Gefängnis bleiben musste und sie erneut verdächtigt wird, warum Oma Ehmi und ihre Zwillingsschwester Greetje nicht mehr miteinander reden und was möglicherweise ihr Vater mit allem zu tun hat. Ennas Suche nach Jale wird von Rückblicken in die Vergangenheit durchbrochen. Wir erleben Gunnar 1923 in dem alles entscheidenden Moment, sind in seinen letzten Lebensstunden 1978 an seiner Seite. Wir begleiten 1984 die junge Alea nicht nur bei ihrem fatalen Versuch, mit ihrem Verlust, ihrer Wut und Angst umzugehen, sondern spüren auch mit ihr die Konsequenzen nach. Frank entwickelt daraus eine Geschichte aus tragischen Fehlentscheidungen, Schuld und Buße, aber auch aus Liebe, Schwesternschaft und Treue immer verbunden mit der Natur, der Elbe, die weiten Marschlandschaften.
„Auf dem Rückweg schwiegen wir über all die Verletzungen, die meine Familie sich in Folge des Unglücks zugefügt hatte. Und immer war die Elbe da, verband uns, hielt uns trotz allem zusammen, ließ niemanden von uns los. […] Und Jale und ich […], ohne die geringste Ahnung zu haben, woher dieses Loch kam, das inmitten unserer Familie klaffte, inmitten von uns selbst. Es war tiefer als die Elbe an ihrer dunkelsten Stelle. Und sein Sog stärker als alle Strudel unseres Flusses.“
Die atmosphärischen Beschreibungen der Natur – insbesondere die bezaubernde Landschaft der Elbmarsch und des Alten Landes – und der Flusstiere sowie die Veränderungen und Eingriffe der Menschen über die Jahre finde ich sehr gelungen, erinnert gar an den „Gesang der Flusskrebse“. Sie zeigt, dass der Fluss nicht nur Schutz bietet und Lebensraum ist, sondern auch zur Gefahr werden und Leben nehmen kann. Dieses Ambivalente, das nebeneinander zweier Pole spiegelt sich auch in ihren Figuren wider, in den Zwillingen Enna und Jale sowie in Oma Ehmi und Tante Greetje. Sie sind so unterschiedlich wie Ebbe und Flut und gleichzeitig untrennbar miteinander verwoben.
Fazit
Die Ereignisse und verborgenen Geheimnisse, die sich wie Wellen über die Zeit ausbreiten und sich auf die Leben der Menschen legen, habe ich sehr, sehr gerne entschlüsselt. Franks „Stromlinien“ ist eine wunderbar erzählte Familiengeschichte – atmosphärisch und spannend! Und was ist das für ein toller Umschlag! Ein Genuss nicht nur für die Augen, anfassen ausdrücklich gewünscht!