Familiengeheimnisse

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Stromlinien von Rebekka Frank ist schon von der Optik und Haptik her ein echter Hingucker, auf dem wunderschönen und zum Inhalt perfekt passenden Cover kann man die (Strom)Linien ertasten. Dem Buch sieht man die 500 Seiten nicht an, es ist kein wuchtiger Wälzer, sondern handlich genug für die Handtasche.
Es ist die Geschichte von drei Familien – die Wilkes, die Ellerbrocks und die Eggers. Wie das Schicksal der Familien miteinander verbunden ist, erfahren wir in Rückblenden in die 1920er, 1970er und 1980er Jahre.
2023: Die siebzehnjährigen Zwillingsschwestern Enna und Jale Eggers leben bei ihrer Oma Ehmi in den Elbmarschen und warten ungeduldig auf die Entlassung ihrer Mutter aus dem Gefängnis. Als endlich der Tag X da ist, warten Enna und Ehmi vergeblich vor dem Gefängnistor. Doch nicht nur von Alea, sondern auch von Jale fehlt jede Spur. Enna macht sich auf die Suche nach Mutter und Schwester.
Am Tag von Aleas Entlassung ertrinkt ein Mann in seinem Sportboot nicht weit vom Gefängnis auf Hahnöfersand entfernt, die Polizei verdächtigt Alea.
1923: Der fünfzehnjährige Gunnar stiehlt ein paar Äpfel und muss ins Gefängnis auf der Insel Hahnöfersand. Dort freundet er sich mit seinem Mithäftling Rudolf Wilke an. Nach ihrer Entlassung fahren die beiden zur See.
1978 sinkt das Schiff mit Aleas Vater an Bord auf hoher See, 1985 kommt es zu einem Bootsunglück auf der Elbe, bei dem neunzehn Menschen sterben.
Das Buch deckt mehrere Genres ab: Coming of Age, Krimi, Liebesroman und historischer Roman. Im Nachwort erfahren wir, dass die Handlung an wahre Ereignisse angelehnt ist. So gab es beide Schiffsunglücke, und auf der Insel Hahnöfersand war früher zunächst ein Jugend- und später ein Frauengefängnis. Im Gegensatz zu dem Urteil im Buch mussten jedoch noch nicht einmal Terroristen achtunddreißig Jahre im Gefängnis bleiben. Und hier kommt mein Kritikpunkt: Ich konnte nicht nachvollziehen, warum Alea nichts dafür getan hatte, um ein milderes Urteil zu bekommen und erst sehr spät ein Gnadengesuch gestellt hatte.
Wunderschön sind die Beschreibungen der Natur in den Elbmarschen, wo Enna mit ihrem Boot „Sturmhöhe“ unterwegs ist. Die Auflösung und die geschickte Verknüpfung der Schicksale der drei Familien fand ich großartig. Ich vergebe fünf Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die tief in Familiengeheimnisse eintauchen möchten.