Immer noch unfassbar

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
leselampe Avatar

Von

Die Schicksale jüdischer Kinder haben mich bereits als Kind beschäftigt, als ich in unserer Gemeindebücherei auf eine Jugendbuchreihe gestoßen war, die das Leben von Kindern in Israel schilderte. Fasziniert war ich vom Alltag im Kibbuz, dieser Form einer Gemeinschaft, die uns völlig fremd ist.

Dieses Interesse hat sich später verstärkt, als ich mehr über die schreckliche NS-Zeit und den Holocaust erfuhr. Über die im Buch geschilderten Schicksale der österreichischen Kinder und ihrer Familien wusste ich bislang gar nichts. Wie furchtbar muss es für Kinder und Eltern gewesen sein, auf diese Art auseinandergerissen zu werden: Die Kinder wurden per Zeitungsanzeige "angeboten", gingen allein ins britische Ausland, zu fremden Familien, oft mit nur geringen Englisch-Sprachkenntnissen. Das Schicksal ihrer Eltern blieb oft ungewiss, vielfach sahen sie diese niemals wieder. Schlimm fand ich es für die Überlebenden, dass sie später Schuld darüber empfanden, dass ausgerechnet sie dem Holocaust entkommen waren.

Großer Respekt und Dank gebührt dem Autor und Journalisten Julian Borger und seiner akribischen Recherche zu seiner und anderen Familien, die ein ähnliches Schicksal verband. In dieser Mischung aus Sachbuch und Biografie hat Borger den schmalen Grat zwischen Distanz und persönlicher Betroffenheit nie verlassen, und genau das machte die Lektüre für mich überhaupt erträglich. Einige Male musste ich das Lesen unterbrechen, weil das Geschilderte mich derartig berührte.

Gerade heute ist "Suche liebevollen Menschen" ein wichtiges und lesenswertes Buch, wo rechte Strömungen in Deutschland und Europa sich beängstigend breitmachen, wo Antisemitismus wieder stark zunimmt.