Berührende Geschichte über Liebe, Mut, Mitmenschlichkeit zur Zeit der Apartheid in Südafrika

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lilalesemaus Avatar

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Die von Bianca Marais erzählte Geschichte über Beauty und Robin beginnt am 13.06.1976. In Soweto - dem großen Township der schwarzen Bevölkerung in Johannesburg - formiert sich Widerstand der schwarzen Schüler gegen die Einführung von Afrikaans als verbindlicher Unterrichtssprache.

Beauty, eine 49jährige schwarze Lehrerin aus der ländlichen Transkei reist nach Soweto, um ihre dort beim Onkel lebende und zur Schule gehende Tochter Nomsa zu suchen und nach Hause zu holen, da sie Nachricht erhalten hat, dass ihrer Tochter Gefahr droht. Beauty trifft mit dem Beginn der Unruhen, die als „Soweto uprising“ in die Geschichte eingehen werden, am 16.06.1976 in Soweto ein. Ihre Tochter Nomsa scheint in den Wirren des Aufstandes verschwunden.

Robin, ein neunjähriges weißes Mädchen, lebt mit ihren Eltern und ihrer vermeintlichen Zwillingsschwester in Boksburg, einem "weißen" Minenarbeiterstadtteil von Johannisburg. Die Beziehung zu ihren Eltern scheint angespannt, sie fühlt sich oft, als ob sie den Anforderungen der Mutter nicht genüge. Als ihre Eltern abends ausgehen, kehren sie nicht mehr zurück, sie kommen in den Unruhen ums Leben. Robin bleibt mit ihrem schwarzen Kindermädchen allein zurück, doch auch diese verlässt sie, durch die Umstände gezwungen. Edith, ihre Tante, wird sich nun um Robin kümmern, doch eigentlich passt ein Kind nicht in ihre Lebensplanung. Robin bleibt gefühlt allein und verzweifelt zurück.

Bis Robin und Beauty in der Geschichte zusammentreffen, dauert es einige Zeit. Aber es dauert nicht „zu lange“, denn man lernt die beiden Protagonistinnen durch ihre in der „ich-Perspektive“ erzählten Erlebnisse gut kennen und verstehen. Beauty betreut Robin für Edith, die durch ihren Beruf viel unterwegs ist. Sie hilft Robin durch die Zeit der Trauer, ist für sie da und gibt ihr die Liebe, nach der Robin sich sehnt. Robin lernt durch Beauty die Welt mit anderen Augen zu sehen, ist eine schwarze Person doch jetzt ihre engste Bezugsperson, eine Schwarze, die nicht im für damalige Zeiten in Südafrika normalen Arbeitsverhältnis für sie da ist, sondern durch ihre verschlungene Geschichte . Beauty wiederum sucht immer weiter nach ihrer Tochter Nomsa, gibt nicht auf, lässt sich jedoch gefühlsmäßig trotzdem ganz auf Robin ein.

Die Absurditäten des Apartheidregimes in Südafrika werden durch die Augen von Robin, dem weißen 9jährigen Mädchen, und Beauty, der gebildeten, lebenserfahrenen schwarzen Lehrerin gezeigt. Man möchte manchmal darüber lachen, jedoch bleibt das Lachen oft im Halse stecken, sind die Regeln, Vorschriften und Gesetze doch einfach heute unvorstellbar. Robin wird in dieser Zeit reifer und erkennt, was im Leben für sie wirklich wichtig ist.

Bianca Marais erzählt diese Geschichte in einer für mich zum Teil atemberaubenden, wuchtigen und bildhaften Sprache. „Die Gewalt ist ein wildes Tier mit Maulkorb, das zwischen uns umherschleicht und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es entfesselt wird“ lässt sie z.B. Beauty bei ihrer Ankunft in Soweto zum Beginn des Aufstandes denken. Auch die Sorgen um ihre Tochter werden sehr bildhaft beschrieben: „ Ich wünschte, ich könnte schlafen. Ich wünschte auch, ich könnte das Trommeln meines ängstlichen Herzens verlangsamen oder den wilden Flug meiner Gedanken zähmen, die umherhuschen und Kreise ziehen wie Fledermäuse in der Dämmerung“.

Man kann sich in dieser Sprache verlieren. Die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Hauptakteurinnen bauen kontinuierlich den Spannungsbogen auf, bis sich alles schließlich – in meinen Augen leider viel zu schnell – löst und ich enttäuscht feststellen musste, dass das Buch schon zu Ende ist.

„Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ ist eine herzzerreißende, spannende, traurige und auch mit viel leisem Humor durchzogene Geschichte. Durch das einfühlsame Erzählen von Bianca Marais wachsen einem die Personen schnell ans Herz. Es ist eine Erzählung über Liebe, Mut, Mitleid und Mitmenschlichkeit. Es ist ein Plädoyer für Offenheit und Toleranz und gegen Vorurteile und Stereotype - heute wichtiger und aktueller als je. Und als „I-Tüpfelchen“ ist auch die Aufmachung wunderschön mit dem Leinenrücken, dem geprägten Einband, dem bedruckten Lesebändchen – optisch und haptisch mehr als ansprechend! Deshalb - fünf Lesesterne von mir!