"Mittendrin" in Südafrika 1976

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alsterschwan Avatar

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Bianca Marais ist mit ihrem Roman "Summ, wenn Du das Lied nicht kennst" ein großartiger, intensiver und emotionaler Debutroman gelungen, der mich vollständig in seinen Bann gezogen hat. Und der mich auch jetzt - einige Tage nach Beendigung - noch nicht losgelassen hat!
Die Autorin entführt uns nach Südafrika im Jahr 1976, genauer
gesagt, nach Johannesburg, in deren Großraum auch Soweto liegt. Zwar waren mir einige Eckdaten der Geschichte Südafrikas bekannt (z.B. Burenkriege, Apartheid, Soweto, Nelson Mandela), aber sehr vieles war mir neu.
Die Faszination des Buches war für mich besonders, dass es der Autorin gelang, dass ich mich immer "mittendrin" im Geschehen befand: ich war "dabei", als die Schüler von Soweto ihren Demonstrationszug begannen, ich "hörte" die Schüsse der Polizei auf diese Schüler, ich "sah" die beengten Wohnverhältnisse im Township Soweto, ich "erlebte" den Hass und die Willkür der weißen Minderheit gegenüber der schwarzen Mehrheit, usw.
Das Buch erzählt in zwei Handlungssträngen: Robin, ein 9 /10- jähriges weißes Mädchen führt in Johannesburg ein recht privilegiertes Leben, als ihre Eltern ermordet werden. Beauty, eine schwarze alleinerziehende Mutter macht sich von der Transkei auf den beschwerlichen Weg, ihre 17-jährige Tochter Nomsa in Soweto zu suchen. Es wird vermutet, dass Nomsa zu den Organisatorinnen des Schüleraufstandes gehört.
Durch die Schilderung dieser vollkommen gegensätzlichen Lebensbedingungen und -umstände der südafrikanischen Bevölkerung im Jahr 1976 erhalten wir Leser*innen einen tiefen Einblick in die damaligen Situation.
Der Schreibstil ist flüssig, eigentlich einfach zu lesen - wenn wir nicht immer wieder tief Luft holen müssten über die Ungerechtigkeiten des Apartheid-Systems... Aber die Autorin schafft es auch, die dramatischen Szenen mit Episoden zum Schmunzeln zu unterbrechen, so z.B. als Robin und ihr Freund Morris versuchen, sich mit aufgeschnappten Fremdwörtern gegenseitig zu übertrumpfen, z.B. sagt die 9-jährige Robin zu ihrem 11-jährigen Freund, sie sei nicht seine Konkubine, auf seine Nachfrage erklärt sie ernsthaft: "Das ist ein kleines Tier, das Leute mit Stacheln beschießt. Das weiß doch jeder." (S. 142)
Eine kleine Einschränkung meiner Begeisterung für dieses Buch möchte ich aber hier nicht verheimlichen: der Schluss war m.E. etwas "abenteuerlich"... Aber insgesamt hat es meinem Eindruck von diesem Buch nicht geschadet , deshalb von mir eine klare und eindeutige Leseempfehlung!