was möchte das Buch uns sagen?

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bambi-nini Avatar

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Ich bin nach der Lektüre dieser Geschichte ziemlich ratlos. Offensichtlich habe ich das Buch nicht verstanden. Zumindest kann ich ihm nichts Positives abgewinnen und empfinde es keinesfalls als schönes Kinderbuch mit weihnachtlicher Stimmung.

Es geht um den zehnjährigen Rupert. Rupert lebt mit seinen Eltern und seinen zahlreichen Geschwistern am Stadtrand. Die Familie ist arm, sie besitzen nicht genug Betten, keine warmen Sachen und die Mahlzeiten, die aus dem Müll anderer Leute bestehen, reichen nie, um auch nur halbwegs satt zu werden. Auf dem Weg zur Schule kommt Rupert an den Villen der Reichen vorbei. Durch einen (un-?)glücklichen Zufall gerät Rupert am Weihnachtstag ins Haus der Familie Rivers, eine der reichsten Familien der Stadt. Er isst mit ihnen und kann sich richtig vollstopfen. Danach wird er dazu eingeladen, mit der Familie um eine Vielzahl an Geschenken zu spielen. Rupert ist zunächst unsicher, schöpft aber mehr und mehr Hoffnung, er könnte das Haus vielleicht mit warmen Stiefeln oder gar einem Spielzeug für seine Geschwister verlassen. Letztlich verliert Rupert und geht mit leeren Händen. Keine Ausnahme möglich. So sind einfach die Regeln…
In den folgenden Wochen und Monaten kommen einige der Familienmitglieder auf ihn zu und verwickeln ihn in aufregende Abenteuer.

Nun hätte sich eine interessante, herzliche Geschichte entwickeln können, in der Rupert allerlei Gutes hätte wiederfahren können.
Aber das komplette Gegenteil ist der Fall. Unter dem Vorwand, ein schlechtes Gewissen wegen der Weihnachtsspiele zu haben, kommen die Familienmitglieder auf ihn zu und nehmen ihn zu einem Ausflug mit – schnappen ihn auf dem Weg von der Schule oder wecken ihn mitten in der Nacht -, aber keinesfalls um wirklich etwas für ihn zu tun. Letztlich geht es jedem einzelnen darum, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und dabei wird Rupert teilweise noch als Handlanger ausgenutzt. Und jedes Mal geht es irgendwie um Essen. Rupert ist von Essen umgeben oder ihm wird eine Mahlzeit versprochen – doch immer wieder geht er leer aus. Unter den unglücklichsten Umständen kehrt Rupert jedes Mal hungrig heim. Soll es witzig sein, wie das hungernde Kind jedes Mal anderen beim Essen zuschauen muss, immer wieder Hoffnung auf eine Mahlzeit schöpfen darf und immer wieder aufgrund skurriler Ereignisse enttäuscht wird…?

Schräge Ereignisse gibt es nämlich einige. Die Geschichte bekommt etliche fantastische Elemente. Ich empfand das Geschehen allerdings insgesamt als zu überdreht und oft auch einfach absurd. Ausflug reiht sich an Ausflug, während dazwischen die Zeit verstricht und sich in Ruperts Leben nichts verändert. Dabei empfand ich die Geschichte streckenweise nicht nur als wirr, sondern auch zäh. Auch den Schreibstil empfand ich, für ein Kinderbuch, das ab 9 Jahren empfohlen wird, nicht leichtgängig genug.

Und dann ist da auch noch Ruperts Familiensituation, welche ganz nüchtern als absolut grausam beschrieben wird – was ich für ein Kinderbuch schon sehr extrem fand. Als wäre es normal und ok, dass Kinder so aufwachsen. Zum Hunger und der fehlenden winterfesten Kleidung kommen auch noch regelmäßige Schläge und seelische Quälereien. So ist der Geburtstag der Kinder eine der wenigen Gelegenheiten, wo die Mutter etwas „besonderes“ kauft – Bonbons, die nur sie allein mag. Diese schenkt sie den Kindern jedes Jahr aufs Neue in dem Wissen, dass sie die Bonbons am Ende zurückbekommt und selbst essen darf.

Während die Mutter einem schlecht bezahlten Job nachgeht, sitzt der Vater den ganzen Tag nur auf dem Sofa. In einer Art Rückblende wird sie als absolutes Dummchen dargestellt, welches einen Blender anhimmelt, der nur Nichtigkeiten von sich gibt.
Ähnlich rückständig ist auch das Familienbild, welches in der Familie Rivers skizziert wird, in der die Frauen ihren Berufstraum höchstens heimlich nachgehen können, weil die Frauen an der Seite der erfolgreichen Geschäftsmänner nicht zu arbeiten haben.

Und auch darüber hinaus steckt der Buch voller Vorurteile, Stereotype und Sticheleien – vor allem von „den Reichen“ gegenüber „den Armen“.
Eigentlich nehmen die Rivers sowohl Ruperts optischen Zustand (kaputte dünne Kleidung, ausgehungertes Kind) als auch seine Familiensituation wahr (ein River beobachtet 2 Tage sein Haus, bevor es auf den Ausflug geht), und dennoch scheinen sie die Wahrheit nicht sehen zu können oder schlichtweg nicht sehen zu wollen. Statt ihm etwas Nützliches zukommen zu lassen, ihm etwas zu essen zu geben oder warme Kleidung, bekommt er beispielsweise einen völlig nutzlosen dünnen Anzug.

Was ich letztlich von der Geschichte mitnehme:
– reiche Leute sind Idioten
– als reicher Mensch kannst du machen, was du willst, es hat keine Konsequenzen
– wenn du den ganzen Tag faul auf dem Sofa sitzt, fällt dir vielleicht irgendwann zufällig doch ein netter Job zu
– vielleicht hast du irgendwann durch Zufall Glück – Hilfe von anderen musst du zumindest nicht erwarten

Einen positiven Punkt gibt es dann aber doch, denn zumindest wird schon auch vermittelt, dass Geld allein nicht glücklich macht. Alle Rivers lassen Rupert an ihren Sorgen und Wünschen teilhaben. Zudem kommt immer mal wieder der Gedanke auf, dass sie Rupert ein anderes Leben aufzwängen möchten, doch er hält an seinem eigenen fest. Auch wenn dies keineswegs rosig ist, sehnt er sich nach seinem zuhause und besonders einer Schwester zurück. Weil das eigene Leben einzigartig ist.

Fazit

Für mich handelt es sich bei „Super reich“ nicht um ein besinnliches positives Kinderbuch. Stattdessen reihen sich immer neue Grausamkeiten aneinander, in denen Rupert (der unter katastrophalen, lieblosen Umständen aufwächst) immer wieder Hoffnung schöpfen darf, um dann doch hungernd und frierend zurückzubleiben.
Erstaunlich dabei ist eigentlich nur, wie der Junge alles wegsteckt. Obwohl er von den Rivers auf gewisse Weise immer wieder entführt wird, ist er hilfsbereit und neugierig, wie ihre Pläne weitergehen. Nur dass sich hinterher, bis auf eine Ausnahme, niemand mehr für ihn interessiert. Sie haben mit ihrem Ausflug schließlich ihr Gewissen beruhigt und ihre Schuldigkeit getan.
Ich empfinde die Geschichte insgesamt als sehr deprimierend mit eigenwilligen Werten, die hier vermittelt werden.