Alex Capus ist ein großartiger Geschichtenerzähler, aber ...

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Worum geht’s?
Susanna Faesch wird 1844 als jüngstes Kind einer gutbürgerlichen Familie in Basel geboren und zeigt schon früh ihren außergewöhnlichen Charakter. Als sie acht Jahre alt ist, verlässt ihre Muter ihren Vater und nimmt Susanna mit, um mit ihr ein neues Leben in New York mit dem Freund ihres Mannes, dem Arzt Karl Valentiny zu beginnen. Schon in jungen Jahren macht sich Susanna einen Namen in ihrem Viertel Brooklyn als Porträtmalerin. Sie heiratet und bekommt einige Jahre später ein Kind. Jahrelang lebt sie mit Valentiny und ihrer Mutter unter einem Dach, bis beide versterben. Mit Mitte 40 schließlich bricht Susanna mit ihrem Sohn zu einer Reise in den Mittleren Westen auf, wo sie die Bekanntschaft von Häuptling Sitting Bull macht, der die amerikanischen Ureinwohner zum Widerstand gegen die Regierung anführt, die immer größere Anteile ihrer Territorien für die Besiedlung durch Weiße freigibt.

Zum Buch:
Eines muss man Alex Capus lassen: er ist ein großartiger Geschichtenerzäler. Wobei sein Buch „Susanna“ nicht einfach eine Geschichte ist, sondern eine biographische Erzählung über das Leben von Susanna Faesch, die wohl bekannter unter ihrem Künstlernamen Caroline Weldon ist, den sie sich in mittleren Jahren zugelegt hat. Alex Capus' etwas antiquierter Schreibstil passt wunderbar zu dieser Erzählung und zu der Zeit des späten 19. Jahrhunderts, um die es hier geht. Die Perspektive wechselt gerade in der ersten Hälfte des Buches mehrmals, so lernt der Leser auch die Eltern von Susanna sowie Karl Valentiny näher kennen. Für die doch überschaubare Gesamtseitenzahl von 286 nehmen diese Exkursionen jedoch sehr viel Raum ein. Die Geschichte dümpelt über lange Strecken vor sich hin und erst, als es mit Susanna's Aufbruch gen Westen interessanter zu werden verspricht, nimmt das Buch ein geradezu abruptes und nicht sehr schlüssiges Ende. Über Susanna Faesch aka Caroline Weldon ist im Internet und zahlreichen Publikationen viel zu finden, sogar verfilmt wurde ihr eindrucksvolles Wirken für die Rechte der amerik. Ureinwohner. Umso weniger kann ich nachvollziehen, warum der Autor sich auf die erste Lebenshälte Susanna's konzentriert, die im Vergleich zu ihrem späteren Wirken als Bürgerrechtlerin doch wenig Ereignisreiches bietet. Er beleuchtet Susanna's Wesen und Leben von allen Seiten, doch wieviel davon ist Fiktion und wieviel Wahrheit? Hierzu hätte ich mir spätestens einen Epilog des Autors gewünscht, in dem er auf diese Punkte näher eingeht. Doch es findet sich weder ein Prolog noch ein Epilog. Das Covermotiv ist zwar sehr interessant, lässt den Leser aber genauso wie der Klappentext doch etwas anderes erwarten, als dann tatsächlich geliefert wird.

Persönliche Meinung:
Da ich bisher von Alex Capus nichts gelesen habe, war ich frei von Erwartungen und habe mich aufgrund der interessanten Leseprobe sehr auf das Buch gefreut. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, da er doch etwas besonderes ist. Leider wurde der weitere Verlauf der autobiographischen Erzählung dann aber zunehmend zäh und ich musste mich immer wieder motivieren weiterzulesen in der Hoffnung, dass es bald interessanter werden möge, sobald Susanna auf Sitting Bull trifft. Susanna Faesch ist mir leider nicht wirklich nähergekommen. Sie mag eine faszinierende Frau ihrer Zeit gewesen sein, aber leider ist der Funke nicht übergesprungen, dies zu vermitteln. Das Ende ist zudem wohl der künstlerischen Freiheit zum Opfer gefallen, denn in Wahrheit hat sich lt. historischer Quellen die Verbindung zu Sitting Bull anders zugetragen. Schade, aus diesem Buch hätte man mehr machen können und müssen!

Fazit:
Interessanter Schreibstil, aber das alleine tröstet nicht über die Tatsache hinweg, dass man über die „wahre“ Susanna Faesch/Caroline Weldon nicht wirklich viel erfährt und selbst davon ein großer Teil fiktiv sein dürfte.