In der Sprache der Sioux kein Wort für "Abschied"

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owenmeany Avatar

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Das neueste Werk meines Lieblingsautors Alex Capus: da habe ich ohne weitere Überlegung zugegriffen und mich sehr auf die Lektüre gefreut. Nachdem mir bereits das Exposé sehr zusagte, recherchierte ich ein bisschen und stieß auf den Film "Die Frau, die vorausgeht" mit Jessica Chastain und vor Allem auf die Romanbiografie "Die Zwischengängerin" von Thomas Brunnschweiler, über dessen 2021 veröffentlichtes Buch ich jedoch wenig finden konnte. Warum greift Alex Capus ein Jahr danach das gleiche Thema wieder auf? Diese Frage ist für mich weiterhin offen - auf jeden Fall werde ich mich in das Konkurrenzprodukt auch bei Gelegenheit hineinvertiefen.

Eine bemerkenswerte Frau war Susanna Faesch alias Caroline Weldon allemal. Ihre Eigenwilligkeit tritt schon in der ersten Szene vor Augen, als sie sich mit aller ihr zur Verfügung stehenden kindlichen Gewalt gegen den Angst einflößenden Wilden Mann wehrt. Köstlich, wie sie später diese Beziehung ins Gute wenden kann. Kein Wunder bei einer Mutter, die ihren Mann und die Söhne verlässt, um sich in der Neuen Welt zusammen mit Susanna und einem neuen Partner eine völlig andere Existenz aufzubauen.

Alle geschilderten Fakten beruhen auf Tatsachen, die Geschehnisse sind aber eingefärbt in diesen typischen unverwechselbaren Capus-Sound, der die dramatischsten Entwicklungen leichthin und beschwingt als völlig folgerichtig darstellt. Eigentlich ergibt sich eine Wendung aus der anderen, und durch ihr Talent, ihre Lebenskunst und charakterliche Stärke wirft Susanna nichts um, sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand, und alles was sie anpackt gelingt ihr auch.

Flott und vergnüglich liest sich das in einem Rutsch weg, und trotzdem legte ich das Buch am Ende etwas irritiert zur Seite, denn mir fehlt der geschlossene Kreis, der geschürzte Knoten, besonders im Hinblick auf die Verlagsankündigung. Was ich als das zentrale Element vermutet hatte, nimmt im Gesamttext weniger als ein Drittel ein und endet nach einer kurzen Begegnung, die Potenzial zu interessanten weltanschaulichen Diskursen geboten hätte, sehr abrupt. Dem Wikipedia-Artikel entnehme ich, dass es im Anschluss an die Reise ins Reservat durchaus noch Berichtenswertes gegeben hätte, aber wohl nicht aus der Sicht von Alex Capus.

Trotzdem habe ich die Lektüre genossen, denn diesem Autor gelingt es immer wieder, historische Fakten durch Ironie und gespiegelt in unseren modernen Augen sehr pointiert darzustellen, wie z.B. das Soldatenleben in der Fremdenlegion, der Bau der Brooklyn-Bridge und die Unbequemlichkeiten des Reisens gerade für eine Frau.

Auf weitere Bücher des Verfassers werde ich mich auch weiterhin freuen, aber bisher unübertroffen sind für mich "Léon und Louise" und "Königskinder".