Eindrucksvoll

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aennie Avatar

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Anmerkung: ich habe das englische Original gelesen, etwaige Äußerungen bzgl. Sprache und Stil beziehen sich daher nicht auf die deutsche Übersetzung.

Swing Time ist der erste Roman, den ich von Autorin Zadie Smith gelesen habe. Vergleicht man ihre Biographie mit Grundzügen der Handlung, sind einige Parallelen feststellbar (Herkunft, Hobbys. etc) und ich hoffe eigentlich, dass Zadie Smith nicht mehr autobiographische Züge in ihre Protagonistinnen gelegt hat, denn diese machen es dem Leser nicht leicht:

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht einer bis zur letzten Seite namenlosen Protagonistin. Sie wächst in einer mittelmäßigen bis problematischen Gegend Londons auf, als Tochter einer Jamaikanerin und eines Engländers. Ihr Vater, einfacher Briefzusteller und ihre Mutter, ambitioniert, sozialistisch, idealistisch prägen ihre frühen Jahre. Im Grundschulalter lernt sie Tracey kennen, in vielerlei Hinsicht ihr Alter Ego und Spiegelbild und in ebenso vielen Aspekten nicht. Auch Tracey entstammt einer gemischtrassigen Beziehung, ihre Mutter ist Engländerin und ihr Vater Jamaikaner, beide wohnen in benachbarten Wohnblocks. Charakterlich unterscheiden sich die beiden völlig, Tracey ist dominant und manipulativ, die Erzählerin passiv und naiv. Tracey hat großes Talent für den Tanz, die Erzählerin kann aufgrund ihrer Plattfüße nur im Steptanz eine gewisse Fähigkeit erlangen, interessiert sich aber viel mehr für die Muster, Strukturen, Ursprünge, Theorie, Kunst und Geschichte des Tanzes.

Aus der nicht immer im Gleichgewicht stehenden Kinderfreundschaft entsteht keine Freundschaft fürs Leben, schon im Teenageralter divergieren die beiden und entwickeln sich auseinander, treffen jedoch oft im mehrjährigen Abstand immer wieder aufeinander.

Die Erzählerin studiert schließlich und nimmt über Umwege einen Job als persönliche Assistentin einer Popsängerin namens Aimee an, die ebenfalls ein bestimmender, dominanter Charakter ist und fortan das Leben der Protagonistin fast möchte man sagen beherrscht. Eines Tages beschließt Aimee, sich im westafrikanischen Gambia sozial engagieren zu wollen und plant eine neue Mädchenschule in einem kleinen Dorf zu errichten.

Auf diesem Grundtableau entwickelt Smith dann ihre beiden Erzählstränge, die meist kapitelweise abwechselnd voranschreiten, der eine ausgehend von der ersten Begegnung der beiden Mädchen, der andere ausgehend vom Start des Schulprojektes in Gambia und werden am Ende zusammengeführt.

Was ist nun das Thema des Buches: ganz schwer zu sagen. Eigentlich ist es für mich zweierlei. Zum einen eine Charakterstudie eines schwachen Menschen, der Erzählerin, und einer oder mehrerer manipulativer Persönlichkeiten, Tracey und Aimee und in Teilen auch der Mutter der Erzählerin, zum anderen aber auch Sozialstudie über die Probleme gemischtrassiger Heranwachsender und die Problematik des Helfen-Wollens- des um des Helfens willen – Aimee in Afrika, die ohne Kenntnis lokaler oder politischer Strukturen anderen helfen möchte – und doch alles für sich tut, oder tun lässt.

Swing Time liest sich nicht einfach, es ist fesselnd, ja, aber auf eine sehr anstrengende Weise. Man möchte sich ständig etwas anstreichen und andererseits das Buch weg legen, um dieser Schwere zu entfliehen. Es ist kein Unterhaltungsroman, es ist ein literarischer, fein komponierter, intelligenter Roman, mit schwierigen Persönlichkeiten und schwierigen Themen. Aber das hinterlässt Eindruck, deutlich.