Nicht ganz rund

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sursulapitschi Avatar

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Dieses Buch macht es einem nicht leicht. Mit einem sehr plastischen, humorvollen Erzählstil nimmt es einen sofort gefangen. Man taucht ein in das Leben einer Frau, die von Paparazzi verfolgt wird. In irgendetwas ist sie verwickelt. Worum es allerdings geht, weiß man lange nicht.

Der Name der Erzählerin bleibt ein Geheimnis, dafür erlebt man aber ihre ganze Lebensgeschichte mit. Als Tochter einer Jamaikanerin und eines Weißen hat sie eine Hautfarbe wie Milchschokolade, genau wie ihre Freundin Tracey, mit der sie die Leidenschaft für das Tanzen teilt. Ihre Jugendzeit ist eigentlich eine Suche nach Identität. Sie ist nicht schwarz und auch nicht weiß, nicht reich und nicht arm, gehört in keine Clique wirklich. Wo sind sie, die "Leute wie wir"? Wo ist ihr Stamm?
Später wird sie die persönliche Assistentin der weltberühmten Sängerin Aimee. Damit lernt sie das Luxusleben des Jetsets kennen. Als Aimee beschließt, ihren Reichtum für wohltätige Zwecke einzusetzen und eine Schule in Afrika gründen will, hat sie zum ersten Mal Berührung mit ursprünglichen Afrikanern. Dort ticken die Uhren anders als in London.

Zadie Smith macht hier ein ganz großes Fass auf. Alle nur denkbaren Formen des Rassismus werden beleuchtet. Da haben wir die geniale schwarze Tänzerin, für die es keine Hauptrolle gibt in vornehmlich weißen Ländern. Die schwarze Frau, die sich trotz mangelhafter Ausbildung einen Platz in der Politik erkämpft, darüber aber ihre Tochter vernachlässigt.
Die Gründung der Schule in Afrika wird zum Fototermin und medienwirksam ausgeschlachtet. Bei allem guten Willen werden die eigentlichen Notstände übersehen und sinnlose Maßnahmen durchgeführt.
Auch die Afrikaner, die niemals mit Sklaverei zu tun hatten, sind nicht frei im eigenen Land. Man ist schwarz, aber nicht vom gleichen Stamm. Die traditionelle Rollenverteilung lässt keinen Spielraum für Individualität.

Das ist hoch interessant und wird durch eine Vielzahl an sehr lebendig geschilderten Protagonisten demonstriert. Hier verfolgt man einige spannende Schicksale.
Leider bleibt die eigentliche Erzählerin dabei sehr indifferent. Mal ist sie der Bücherwurm, dann wieder erstaunlich naiv, bekommt ihren Job eher durch Glück als durch Können, meistert ihn dann aber souverän, obwohl sie an anderer Stelle an Mathematik für die Grundschule scheitert. Sie berichtet ungemein reflektiert, handelt aber immer wieder impulsiv und bringt sich in überflüssige Schwierigkeiten. Auch die ein oder andere Liaison ist schwer nachvollziehbar.

Ich denke, das ist mein Hauptproblem mit diesem Buch. Die Erzählerin soll unser roter Faden durch ein komplexes Thema sein, aber man bekommt sie nicht zu fassen, wodurch die Geschichte oft zerfasert wirkt.
Eigentlich ist „Swing Time“ ein gutes, toll erzähltes Buch, das viele wichtige Themen anspricht. Trotzdem fand ich es nicht ganz rund, nicht zu ende gedacht, vielleicht wollte die Autorin ein bisschen zu viel.