Rhythmus, Blues und Wurzeln

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Die meisten Mädchen träumen vom Ballett, vom Tanzen, vom Ruhm, so auch zwei farbige aus der gleichen Wohngegend, aus ähnlichem Milieu. Doch ihre Talente und in der Folge ihre Lebensläufe entwickeln sich auseinander.
Der Beginn des Buches deutet ein grosses Scheitern an, doch mit der Ballettschule kann es nichts zu tun gehabt haben, ist doch die Ich-Erzählerin, deren Namen wir bis zuletzt nicht erfahren, längst kein Kind mehr. Die erwähnte Schmach ist jedoch der Auftakt zu einer Reihe von Rückblicken in eine verwirrende Kindheit zwischen Marx, Rassenfragen und dem Streben nach Höherem. Die Tochter soll es besser haben, und dafür geben die Eltern ihr Bestes. Dass genug nie genug ist, das ist leider eine Tatsache, insbesondere, wenn man schwarz ist und mehr als andere zu kämpfen hat. Einmal mehr zeigt sich, dass die Weissen noch weit davon entfernt sind, Menschen mit anderer Hautfarbe als gleichwertig einzustufen, sodass Ausgrenzung zum Alltag der Erzählerin und ihrer Freundin Tracy. Während die talentierte, aber auch undisziplinierte Tracy zurück in das Muster ihrer ärmlichen Herkunft zurückfällt, kann sich ihre Freundin als Assistentin eines Popstars hinaufarbeiten. In die Welt der grossen Popstars darf sie zwar vom Bühnenrand aus einen Blick werfen, aber dazu gehören wird sie nie. Hingegen ändern sich Rhythmus und Musik, als sie in Westafrika eine Stiftung für Mädchen überwachen soll, denn hier mischen sich erschreckende Töne ein. Doch Tracy scheint ohne die Hilfe ihrer Freundin keinerlei Erfolg mehr zu haben.
Tragisch ist, dass es der Erzählerin nie gelungen ist, sich dem Licht anderer anzuschliessen, sondern dass sie sich immer nur als Schatten empfunden hat. Eine quasi Halbzeitbilanz in der Mitte des Lebens, mit vielen bitteren Noten. Dass die Erzählerin ohne die Hilfe ihrer talentierten, aber auch selbstsüchtigen und manipulativen Freundin Tracy nie aus der ärmlichen Sozialbausiedlung herausgekommen wäre, ist nur eine davon.
Das Cover ist sehr ansprechend: Farbig abgesetzte Buchstabenteile vermitteln den Eindruck von Bewegung, Rhomben deuten auf afrikanische Stoffmuster hin. Die Vielfalt der im Buch genannten Tänze weist darauf hin, dass Tanz im Leben der Protagonisten auch dann noch eine grosse Rolle spielt, wenn diese längst einen völlig anderen Beruf ergriffen haben. Dass die einzelnen Erzählteile zeitlich bunt durcheinander gewürfelt erzählt werden, trägt dazu bei, dass die Kontraste im Lauf des Lebens und der verschiedenen Seiten betont werden.
Alles in allem: Die Zadie Smith-Leser dürfen sich zurecht auf ihr neuestes Werk freuen, wenn es auch in einer etwas braveren Sprache geschrieben wurde. Vielleicht liegt es ja an der Übersetzung.