Spannender Hexenkrimi mit detailreichem World Building

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himbeerbuch Avatar

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Eins meiner Jahreshighlights, obwohl ich ein bisschen Kritik habe. Trotzdem: Volle 5 Sterne.

Wir haben hier eine Secondary-Fantasywelt, die von den 50er/60er-Jahren in Südosteuropa/Balkan inspiriert ist: Was man in Deutschland am Ehesten unter „Raunächte“ kennt, sind hier die „schmutzigen Tage“ zwischen Weihnachten und dem Jordanstag, in denen der Schleier zwischen Monster- und Menschwelt dünn ist: Kikimoren, Upire und vor allem der Zmey, der Zar der Monster, gelangen in die Stadt Chernograd, während die Nachbarstadt Belograd durch eine magische Mauer vor ihnen geschützt ist. Während dieser Zeit folgen wir Kosara, eine Hexe und Monsterjägerin – doch hat sie ihre Kräfte, ihren Hexenschatten, in einem Glücksspiel verloren. Um den Schatten wieder zurückzubekommen, tut sie sich mit einem Polizisten zusammen, der ein ganz eigenes Interesse an diesem Unterfangen hat…

Was mich vor allem gestört hat war das Pacing. Es wirkte manchmal zu sprunghaft und hektisch auf mich, mir fehlten langsamere, intimere Momente um die Figuren richtig kennenzulernen. Man hat außerdem gemerkt, dass ein paar der „Zufälle“ im Plot nur dazu dienten, das Buch abschließen zu können – wie so oft frage ich mich, was wäre, wenn der Geschichte mehr als eine Dilogie zugesprochen worden wäre und sich die Figuren noch mehr entfalten hätten können.

Wer typische Urban-Fantasy-Erzählweisen gar nicht mag, für den ist das Buch vielleicht nichts. Aber lasst mich euch trotzdem davon überzeugen, es zu lesen!

Im Marketing wird, wie bei allen Fantasybüchern, die slawische Folklore beinhalten, von „Witcher meets Naomi Novik“ gesprochen. Aber wer hier was Märchenhaftes erwartet wird enttäuscht. Der Roman spielt eben nicht in so einem typischen Märchen-Wald-Mittelalter-Setting (die Hexer-Reihe ist übrigens auch sehr viel komplexer, aber das ist ein anderes Thema…), sondern bricht, ähnlich wie Juniper & Thorn von Ava Reid, mit Vorannahmen zu slawischer Fantasy und übergreifend, osteuropäischen Settings.
Klar, die Folklore-Elemente sind vorhanden und originell umgesetzt, aber es ist eben auch aufgebaut wie ein „typischer“ Urban-Fantasy-Roman mit Detektiv-Anteil und einem informierten, detailreichen Weltenbau.

Das fängt bei den Essensbeschreibungen (die Beschreibung der Kaffeezubereitung hat mich direkt in mein Auslandssemester in Slowenien und Reisen in Bosnien zurückversetzt) und Namensgebungen an – Belograd heißt übersetzt quasi „weiße“/helle Stadt, Chernograd „schwarze“/dunkle Stadt, aber es geht noch viel tiefer.

In Chernograd lebt Kosara ein von Entbehrungen geprägtes Leben, das von dem abhängt, was die andere, reiche Stadt Belograd ihnen zuspricht. Trotz des Verlangens, Teil von besagtem „Besseren“ zu sein, behalten die Chernograder ihre eigenen Lebensweisen und wollen sie nicht missen. Der trockene Humor ist on point und Kosara zwar anfangs jung und ein bisschen nervig, aber je besser ich sie kennengelernt habe, desto mehr Bewunderung brachte ich für sie auf. Thematisch geht es nämlich auch um Gr00ming von Minderjährigen und D3pressionen. Content Notes hat die Autorin auf Goodreads veröffentlicht.

Für mich ist Tage einer Hexe ein origineller Fantasyroman einer Own-Voice-Autorin – eine richtig tolle Ergänzung für diverse Fantasy, die ins Deutsche übersetzt wurde.

Zu hoffen bleibt nur noch, dass der Verlag diese Dilogie weiterführt, denn für mich ist klar: man kann es nicht als Einzelband lesen, es endet mit einem Cliffhanger. Leider gibt es beim Verlag keinen Hinweis darauf, dass es sich überhaupt um den ersten Teil eine Reihe handelt und im Frühjahrsprogramm findet man bisher keine Ankündigung des zweiten Bandes, also Daumen drücken und Buch lesen!

Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung und ganz viel Liebe für “Tage einer Hexe”!

By the way: Auf meinem Instagram-Blog @books.and.sorcery gehe ich noch etwas ausführlicher darauf ein, welche voreingenommenen Bilder es von slawischer Fantasy gibt. Also schaut da doch mal rein!