Wenn ein Mensch verschwindet

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buecher.am.meer Avatar

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Wo ist Hannah? Diese Frage stellt sich ein ganzes Dorf. Seit über zwei Jahren ist Hannah verschwunden. Zuletzt soll sie am nahegelegenen Wald gesehen worden sein.

Ihre jüngere Schwester Luisa hat kurz nach dem Verschwinden ihrer Schwester angefangen, im Wald nach ihr zu suchen. In der Zwischenzeit hat sich eine Gruppe von sieben Menschen angeschlossen. Seitdem streift die Gruppe jede Woche gemeinsam durch den Wald. Jede*r von ihnen hat eine individuelle Motivation, Luisa bei der Suche nach ihrer Schwester zu helfen.

Doch Hannah könnte überall sein.

Nach ihren Debüt „Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne“ von 2023 hat Sina Scherzant nun ihren zweiten Roman veröffentlicht.

In „Taumeln“ nähert sich sich behutsam der Frage, was nach dem plötzlichen Verschwinden eines Menschen bleibt. Wie geht eine Familie mit dieser schmerzhaften Leerstelle um, wenn ein geliebtes Familienmitglied fehlt und es keinen Anhaltspunkt über das Verbleiben des vermissten Menschen gibt?

Abwechselnd lesen wir Kapitel aus Luisas Sicht, die von reflektierenden Rückschauen in das Familienleben vor Hannahs Verschwinden unterbrochen werden. Aber auch in das Leben der anderen Protagonist*innen der Suchtruppe tauchen wir tiefer ein. Ihnen widmet die Autorin eigene Kapitel und erfahren dabei, dass jede*r von ihnen ein eigenes schweres Schicksal mitbringt.

Einfühlsam skizziert Sina Scherzant sensible Themen wie Einsamkeit, Trauer, häusliche Gewalt, Misogynie und den Umgang mit Ausgrenzung und Krankheit und übt mit der Auseinandersetzung dessen eine gewisse Gesellschaftskritik.

Sina Scherzant zeigt eine feine Beobachtungsgabe für das Schicksal von sogenannten „einfachen“ Menschen, die mitten im Leben stehen und teilweise in prekären Verhältnissen oder existenziellen Krisen stecken.


Die Schicksale der Protagonist*innen prägen die melancholisch-nachdenkliche Grundstimmung der Geschichte.





Trotz des interessanten Plots konnte mich die Geschichte leider nicht ganz erreichen. Manche der Protagonist*innen blieben recht blass. Auch die Spannung nahm im Verlauf der Geschichte immer mehr ab. Auch die Suche nach Hannah rückt immer mehr in den Hintergrund.

Die fragmentarischen Einblicke in die Leben der Protagonist*innen fand ich stellenweise wirklich berührend wie bspw. Frank, der an einem gebrochenen Herzen leidet oder Inge, die kein sicheres Zuhause hat und häusliche Gewalt erlebt. Jedoch hätte ich gerne mehr über die Umstände von Hannahs Verschwinden und ihren Verbleib erfahren. Vermutlich hatte ich einfach andere Erwartungen an die Geschichte.

Dennoch schwingt in der Geschichte ein gewisser Appell für mehr Solidarität und Mitmenschlichkeit mit - eine Message, die ich sehr wichtig finde.