Im Kinderzimmer der Windsors

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1932 hatte Marion Crawford individualistische Ziele, mit ihrem Beruf als Lehrerin ihren künftigen Schützlingen die Welt zu erklären. Die aus Schottland stammende Frau will mit ihrer Arbeit den armen Familien zu einem besseren Leben verhelfen. Die Aristokratie interessiert sie nicht. Doch es kommt anders: Ihr wird die Stelle als Gouvernante angeboten. Sie soll sich um die Töchter des Herzogs und der Herzogin von York kümmern. Lilibet und Margaret sind elf und acht Jahre alt. Schnell stellt Marion fest, dass das Leben im Palast keine Berührungspunkte mit der Realität hat. Stattdessen erlebt sie zwei Kinder, die weder Kontakt zu Gleichaltrigen, noch den Bildungsstand erreicht haben. Es folgt ein harter Kampf, um den Prinzessinnen die Welt der Bevölkerung nahe zu bringen. Die Abdankung von Edward VIII. und der Zweite Weltkrieg verändern das vorbestimmte Leben radikal.

Wendy Holden lässt mit ihrer Romanbiografie über Marion Crawford einen Blick hinter die Kulissen des Buckingham Palasts zu. Sie beschreibt darin nicht nur das Wirken der engagierten Gouvernante, sondern auch die Kindheit der heutigen Königin von England. Die britische Autorin stieß eher zufällig auf die Lebensgeschichte von Crawford, die bis 1947 in den Diensten der Königsfamilie stand. Während dieser Zeit nahmen diverse Ereignisse Einfluss auf die Entwicklung der Charaktere. Nicht nur Lilibet wuchs zur Ehefrau und Mutter heran, sondern auch Marion bekam einen anderen Blick auf die höhere Gesellschaft. So gut sie konnte und es mit sich selbst vereinbaren ließ, brachte sie den Prinzessinnen den Alltag der meisten Familien in Großbritannien näher. Diese Aufgabe verlangte allerdings auch den Verzicht auf ein eigenes Privatleben. Gespräche mit Tommy Lascelles lassen erahnen, wie strikt die Regeln und deren Einhalt gefordert wurden. Einige Anekdoten waren kürzlich in der Serie „The Crown“ zu sehen.

Die Zeit zwischen 1932 und 1947 lässt sich nicht ohne die Entwicklungen im Land in Bezug auf Politik und Gesellschaft erzählen. Es liest sich wie ein Drama als der Onkel der Königin zugunsten der Liebe auf den Thron verzichtet und damit die Yorks in eine schwierige Situation brachte. Ihr Verhalten nach der Bombardierung Londons lässt allerdings erkennen, dass sie diese souverän meistern konnten. Die Hochzeit mit Prinz Philip bedeutet für die Gouvernante das Ende ihrer Dienste. Bei Königs tritt man dann zurück und redet vor allem nicht über seine Erlebnisse. Crawford schrieb ein Buch, das in den Augen der Familie einen zu großen Einblick in ihr Privatleben bot. Zurück blieb eine Frau in den mittleren Jahren, die weder in einen herkömmlichen Schulbetrieb eingesetzt werden konnte, noch die Aussicht auf eine eigene Familie hatte.

Wendy Holden biografiert die aktiven Jahre von Marion Crawford, der Gouvernante von Elisabeth Windsor und ihrer Schwester Margaret. Sie beschreibt zwei Kinder, die alles haben und doch so wenig von der Welt wissen. Sie lässt hinter Palastmauern blicken und hinterfragt zumindest im ersten Teil kritisch, ob eine derartige Erziehung förderlich ist. Das Buch ist ein unterhaltsamer Beitrag zur Zeitgeschichte Englands, das Bekanntes zusammenfasst und mit Fiktion ergänzt.