Klosteralltag in Japan

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
sillesoeren Avatar

Von

Die Japanologin Michaela Vieser mochte das obligatorische Praktikumsjahr in Japan nicht in einem Studentenwohnheim verbringen. Vielmehr erzählte sie so vielen Menschen von ihrem Wunsch, dieses Jahr in einem Kloster zu verbringen, dass ihr dieser Herzenswunsch tatsächlich auch ermöglicht wurde. Dies war ihr auch beim Schreiben des Manuskripts so wichtig, dass sie gleich zweimal kurz hintereinander erzählt, wie es ihr gelang, ein Jahr in diesem Kloster zu verbringen, nämlich im Vorwort und direkt im Anschluss im ersten Kapitel. Schade, dass dies beim Lektorat nicht aufgefallen ist, so wirkt es etwas unprofessionell.

Die Autorin erzählt in anschaulicher und flotter Sprache von ihren Erlebnissen in einem japanischen Kloster, in denen die Mönche mit ihren Frauen und Familien leben. Ihren ersten Tag verbringt sie mit Gesprächen über Michael Schumacher, Kehren und Spülen. Ihre anfängliche Enttäuschung über so viel Weltlichkeit weicht schnell einem tiefen sinnlichen Erleben der Klostergemeinschaft. Sie wird in die Teezeremonie und in die Kaligrafie eingeführt, lernt Kendo und erfährt eine nie gekannte Spiritualität und Zufriedenheit. Dabei driftet sie nie ins Esoterische oder Kitschige ab, ihr Schreibstil bleibt immer bodenständig und humorvoll. Sie spart kein Missverständnis und kein Missgeschick aus und erleichtert dem Leser auf diese Weise einen tiefgehenden Einblick in die japanische Lebensweise und in die durch den Buddhismus geprägte Kultur. Wer kann sich nicht deutlich den spitzen Schrei vorstellen, als sie auf der typisch japanischen High Tech Toilette den falschen Knopf drückt und von einer Wasserdüse nass gespritzt wird!

 

Die Kapitel sind jeweils einer Person gewidmet, die Michaela während des Aufenthalts kennen lernte. Sie schreibt in aller Offenheit über ihr Verhältnis zu den Menschen. Und sie schreibt darüber, wie sich ihre Meinung änderte, je näher sie jemanden kennen lernte, zum Beispiel den Mönch, der jeden Tag mit ihr die Zeitung las und ihr anfangs so brummig und übellaunig erschien und von dessen Themenwahl sie abgeschreckt war. Nachdem sie dann hinter sein Geheimnis gekommen war, änderte sie ihre Einstellung zu ihm. Sicher: dazu muss man nicht unbedingt in ein japanisches Kloster gehen. Doch ist es für mich beim Lesen ein Anreiz, manch eine Meinung zu einem Menschen noch einmal zu überdenken.

 

Mein Fazit: eine nette Reisebeschreibung, bei der ich eine sympathische Frau kennen gelernt habe, die mir einiges über Japan und den Buddhismus erklären konnte.