Alle sind Tell.

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naibenak Avatar

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Die berühmte Heldensage von Wilhelm Tell präsentiert uns Joachim B. Schmidt in einer Neuauflage, die es in sich hat. Er macht den recht sperrigen, klassischen Text von Schiller, den fast jeder aus der Schulzeit kennt, zu einem rasanten Leseabenteuer. Das ist Geschichtsunterricht auf sehr ansprechende Art und Weise, der so ziemlich jede*n hinterm Ofen hervorlocken wird ;-)

Schmidts Erzählform ist genial: abwechselnd lässt er unterschiedlichste Personen zu Wort kommen und wechselt so permanent die Perspektive. Ob es Familienmitglieder von Tell sind, Menschen aus dem Ort, die Soldaten der Habsburger, der Landvogt, der Pfarrer... alle haben eine Beziehung zu Tell und es entsteht durch die Augen dieser Menschen im Laufe des Romans ein umfangreiches, ausdrucksstarkes Bild des Tell und der damaligen gesellschaftlichen Situation im 14.Jahrhundert. Schmidt erschafft sehr klare Bilder, ein Kopfkino vom Feinsten stellt sich ein, und trotz aller Knappheit des Romanes ist es möglich, den Menschen unheimlich nah zu sein.

Wir erleben hier einen sehr menschlichen Tell, der zwar verschlossen und schroff nach außen auftritt, jedoch mit einem großen Herzen und starken Willen für die Seinen einsteht gegen die Habsburger. Ein "Held" will er nicht sein. Damit ist er Vorbild für ein ganzes Volk, welches es ihm gleichtut. "Alle sind Tell."

Fazit: temporeich, (geschichtlich) knallhart und anrührend, menschlich und sogar humorvoll - ein ganz tolles Leseerlebnis mit unheimlich vielen Details, die es zu entdecken gilt. Hat mich super unterhalten und Lust auf mehr von diesem Autor gemacht!