Ein Herz für Sonderlinge!

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Ein Herz für Sonderlinge
Manche Autorennamen sind Garanten für ein gutes Buch! Nach dem einfühlsamen und wunderbaren Roman über den isländischen Sonderling „Kalman“ bin ich überzeugt davon, dass mit einem weiteren Roman des Autors kein Fehler unterlaufen kann. Und so ist es auch. „Tell“, die literarisch aufbereitete Sagengestalt eines Schweizer Bauern, Freiheitskämpfers, überzeugt mich ein zweites Mal. Joachim B. Schmidt kann Sonderlinge!

Wilhelm Tell, Namensträger vorliegenden Romanes ist ein schweizerischer Nationalheld aus dem frühen 14ten Jahrhundert. Auch Friedrich Schiller hat sch des Stoffes angenommen, den „der Tell“ vortrefflich bietet. Was wahr ist und was Sage, bleibt jedoch auf ewig ungeklärt.

Bei Schmidt steht das Familiäre im Zentrum. Arme Bauern von der Obrigkeit geknechtet und willkürlich gerichtet oder vorgeführt. Was bedeutet das? Wie kommt man durch den Winter? Wie kommen die Soldaten zu ihren Einstellungen? Wie leben die Frauen? Was gilt ein Einzelschicksal?

In vielen kleinen Sequenzen lässt der Autor die historische Landschaft der Schweiz um den Vierwaldstättersee herum, entstehen. Die Leserschaft ist ein wenig auf Distanz gehalten, so dass sie die Grausamkeiten der damaligen Zeit verkraften kann und nicht im Strahl vom Sofa kotzen muss, aber andererseits nahe genug dran, um mitzuleiden. Der taffe Tell. Warum ist er ein so harter Mann geworden, dass sogar seine Kinder ihn fürchten?

Die Geschichten, die J.B. Schmidt um den Tell webt, sind stichhaltig, glaubwürdig und spannend. Aus vielen Facetten mit vielen Perspektivwechseln ergibt sich schnell ein klares Bild. Sprachlich ist er ebenfalls gut aufgestellt, der kleine Roman!

Der Kommentar:
Wie gesagt, ich bin überzeugt von diesem kleinen Kunstwerk. Das einzige, was negativ zu Buche schlagen könnte, ist die nur indirekt vorhandene historisch-politische Konnotation. Hier wäre mehr möglich gewesen, zu Punkteabzug führt dies aber nicht, zu originell ist das Gebotene.

Fazit: Anschauungsunterricht 14. Jahrhundert: erste Sahne.

Kategorie: Historischer Roman. Belletristik.
Verlag: Diogenes, 2022