Einmal anders

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lesari Avatar

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Tell einmal anders

Ungefähr ist mir die Geschichte von Tell bekannt. Einem Schweizer Freiheitskämpfer, mit einer Armbrust und einem Schuss auf den Apfel. Dieses Detail mit dem Apfel bleibt in einer anderen Form erhalten.
Und jetzt sollte die Geschichte anders geschrieben sein. Joachim B Schmidt schreibt in 100 schnellen Sequenzen, in denen er zwanzig Figuren auftreten lässt. Die Hauptfigur ist Tell- ein Familienvater, mal Wilderer, mal eigensinnig, einer der sich nicht anpassen will, aber auch eine weiche Seite hat.
Jede Figur erzählt dann seine Geschichte, aus seiner Sichtweise und wie er Tell wahrnimmt. Jede von ihnen hat einen eigenen Charakter, mal derb mal rauh, mal liebevoll.Und jede Figur ist irgendwie miteinander verbunden. Eine wichtige Figur ist auch sein Sohn.
Dadurch wird es aber nicht unbedingt tiefgründig. Ich denke auch nicht, dass der Autor das erreichen wollte. Wichtiger war ihm das das Tempo vorangeht, so wie bildliche Sequenzen.
Ich habe dabei an Kurzgeschichten gedacht, da fügen sich die Figuren auch nicht immer zusammen. In diesem Roman dienen einige Figuren auch nur zur Beschreibung von Tell.
Wir tauchen tief hinein in die Schweizer Bergwelt und das karge Leben. Wir werden praktisch zurückversetzt in der Zeit. Gerade diese Beschreibungen haben mir sehr gut gefallen, Joachim B. Schmidt formuliert detailreich.
Wie in einem Theaterstück auf der Bühne, wo Personen abtreten, und wieder neue hinzukommen. Nur das Bühnenbild ändert sich kaum.
Allerdings fand ich das Ende abrupt. Ich wurde praktisch hinausgeworfen aus dem szenischen Erzählen, und erst mit Lotta erfahren wir was dann geschah. Vielleicht sollte es die Beharrlichkeit und Zähigkeit dieser Familie darstellen das ein Weiterleben möglich war.
Alles in allem gefiel mir diese Art von Erzählen gut. Es blieb kaum Zeit zum Nachdenken, und schon kam die nächste Figur. Aber ich war fasziniert, weil irgendwie wollte ich ja den Fortgang der Geschichte erfahren. Gut, das Handlungsfeld ist nicht modern, spielt auch nicht in der heutigen.
Ich denke nicht das es darum ging, sondern der Grundgedanke des Autors war die Geschichte des Tells anders zu schreiben. Und das wiederum ist ein moderner Ansatz- das finde ich ist ihm gelungen.
Einen Punkt weniger vergebe ich dafür dass das Ende so abrupt kam, ich wurde plötzlich aus der Szenerie herausgenommen.
Trotzdem bekommt Tell von mir die Leseempfehlung.