Gänsehaut

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mianna Avatar

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Die Geschichte von Wilhelm Tell ist ein schweizer Nationalmythos um seinen Kampf gegen die Fremdherrschaft der Habsburger. In dieser Version ist Tell jedoch eher ein Antiheld.

Die Geschichte wird in aller Tragik und Brutalität der Zeit erzählt, in der sie spielt. Das macht das Geschehen sehr nah. Die Übergriffe und die Angst der Einzelnen werden deutlich. Ohne Erbarmen und in einer sehr sachlichen Erzählung wird ausführlich auf Missbrauch (auch auf Kinder!), Übergriffe und Todesfälle eingegangen. Das ist nicht überraschend bei einem solchen Drama, aber trotzdem Triggerwarnung! Gerade die Gewalt in der Kirche und Entwicklungen zwischen Einzelnen danach haben mich sehr getroffen.
Es ist gut nachvollziehbar, wie das Leben der Dorfbevölkerung und das Leben auf den Höfen funktioniert, obwohl die Erzählung nicht das Räumliche miteinbezieht. Auch die Äußerlichkeiten der Menschen werden kaum beschrieben. Es wäre bei dieser dichten Erzählung bestimmt auch zu viel gewesen. Alles geschieht im Miteinander. Schnell habe ich mich im Geschehen wiedergefunden und mit den Charakteren mitgefiebert. Unerwartet sympathisch wirken einige Figuren, obwohl sie in der Geschichte den Platz auf der dunklen Seite haben. Das ist eine Stärke des Autors, dass er Figuren wachsen lässt oder in ihnen was hervorbringt, was sie von einer anderen Seite zeigt. Dazwischen sind aber auch Charaktere zu finden, die nur gut oder schlecht sind. Das passt gut in diesen Mythos.
Was zwischen Tell und dem Pfarrer beispielsweise geschieht ist tief berührend. Es passieren unerwartete Wendungen. Gerade um den unnahbaren Tell geschehen die größten Gänsehautmomente.

Die Geschichte hat mich in ihrer Nahbarkeit und Unausweichlichkeit sehr angesprochen. Trotzdem hier ein Mythos nacherzählt wird, hat das Geschehen viel Berührung zu aktuellen Themen. Die Brutalität ist extrem und schwer zu ertragen. Aufgewogen wird es durch die einfühlsamen Charakterisierungen. Beeindruckend.

Leseempfehlung! Ein Klassiker frisch aufgemacht. Tragisch, unausweichlich und beeindruckend.