Gelungene Neuinterpretation einer alten Sage

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corbinian Avatar

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Die Schweiz steht wie kein anderes Land für Neutralität, das Bankengeheimnis und Bunker mit mehr Plätzen als Einwohner*innen*. Außerdem ist die Flagge ein großes Plus. Doch die Schweiz war nicht immer neutral und auch nicht immer ohne Einflussnahme von außen. Mit einer Person, so zumindest dem Mythos nach, begann das Ende der Einflussnahme der Habsburger auf die Schweiz und damit der Weg zur freien und unabhängigen Schweiz. Diese Person war Wilhelm Tell.

Nach vielen Interpretationen der Sage, unter anderem natürlich durch Friedrich Schiller, die viele Schüler*innen lesen durften, hat sich nun Joachim B. Schmidt an den Stoff gewagt. Erschienen ist das Buch mit dem schlichten Titel „Tell“ beim Diogenes Verlag. Sein Ziel war dabei die Geschichte auf moderne Art zu erzählen.

Dieses Ziel versucht er über kurze und knackige Kapitel zu erreichen. Jedes Kapitel wird dabei aus anderer Perspektive erzählt und so können wir viel tiefer in die Gedanken der Protagonisten und Antagonisten eintauchen, als in anderen Versionen. Dazu kommt, dass dieser Erzählstil tatsächlich modern ist und die Leser*innen wirklich mitreißt.

Die Geschichte ist dabei natürlich gut bekannt. Es dreht sich alles um den Jäger Wilhelm Tell, der den Gesslerhut, entgegen der Gesetze, nicht grüßte und dann einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen musste. Anschließend macht er es sich zur Aufgabe den habsburgischen Landvogt Gessler zur Strecke zu bringen. Dieser Racheakt führt zum Aufstand gegen die Habsburger und schlussendlich zur Unabhängigkeit der Schweiz. Letzteres ist im Buch kein wirkliches Thema, der Fokus liegt auf Wilhelm Tell und seiner Familie. Hier finden sich einige interessante Interpretationen, Ideen und Wendungen, die die gesamte Geschichte in ein neues Format verwandeln, das am ehesten an eine dramatische Familienserie erinnern lässt.

Die Kombination aus Neuinterpretation und Erzählart ist wirklich absolut gelungen und man hat beim Lesen wirklich viel Spaß. Auch sprachlich kann das Buch komplett überzeugen, denn zu oft besteht die Gefahr, dass ein alter Stoff zu altbacken klingt, und das wurde hier vermieden ohne die Geschichte, was auch leider häufiger passiert, in die Moderne zu verschieben. Kurzum: Diese Version der Sage ist modern, kurz und knackig geschrieben und deshalb absolut unterhaltsam.

Fazit: Tell von Joachim B. Schmidt ist eine wirklich gelungene Neuinterpretation der alte Sage um den Jäger Wilhelm Tell mit einigen neuen Ideen, Wendungen und Interpretationen und vor allen Dingen eine neue Art der Erzählung, die dank kurzer und knapper Texte die Geschichte gekonnt aus vielen Perspektiven erzählt. Hier hat der Bolzen den Apfel ein weiteres Mal getroffen.