Rohe Gewalt und tiefes Leid

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miltonia 01 Avatar

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Ich kann ja schon lange Menschen nicht verstehen, die sich gerne in die menschliche Vergangenheit zurückversetzen lassen würden und dieses Buch ist für mich wieder mal eine Bestätigung, dass man eher selten das Schicksal einer verwöhnten Königstochter treffen würde (die ggf. mit 13 an einen uralten Nachbarkönig aus dynastischen Gründen verheiratet worden wäre), sondern mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit als Kind einer armen Bergbauernfamilie.

Und der Autor schafft es ganz hervorragend, das Elend und Leid der einfachen Bevölkerung zu schildern. Die Hauptfigur Wilhelm Tell hat schon als Kind böse Misshandlungen erleben müssen, die ihn für das restliche Leben geprägt haben. Der Tod seines Bruders kommt noch dazu, so kann er kaum Gefühle zeigen und ist ein tief in sich verschlossener Mann geworden. Keinesfalls eine lichte Heldenfigur, die für die Freiheit der Schweizer kämpft. Auch seine Frau lebt nicht aus Liebe mit ihm zusammen, die Umstände haben ihr keine Wahl gelassen, darunter leiden natürlich auch ihre Kinder.

Dagegen das Leben der Habsburger Landsknechte: je grausamer und gewalttätiger sie gegen die Bergbauern vorgehen können, desto mehr Spaß macht es ihnen. Ein Mord mehr oder weniger belastet sie nicht. Das liest sich wirklich schwer.

Der Autor lässt in diesem Buch die einzelnen Personen selbst erzählen und das erzeugt ein ganz eigenes Bild auf die einzelnen Menschen. Der Landvogt Gessler, sonst immer als böser Tyrann beschrieben, entpuppt sich hier als empfindsamer Mann, den es heim zu Frau und Tochter zieht und trotzdem immer weiter in den Strudel aus Gewalt und Gegenwehr gezogen wird und schlussendlich daran stirbt.
Ganz überraschend war für mich die Figur des Pfarrers Franz, den ein böses Geheimnis aus der Kindheit mit Wilhelm Tell verbindet.

Das Buch hat mir sehr gefallen, es bringt eine ganz eigene und ungewöhnliche Sichtweise auf die alte Geschichte und der Erzählfluss wird immer schneller und treibt geradezu auf das Finale hin. Unglaublich spannend, auch wenn die harten und brutalen Beschreibungen manchmal sehr schwer zu lesen sind. Dafür 5 Sterne.