Nach Hause kommen in ein fremdes Land

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petris Avatar

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Nilufar ist noch ein Kind als ihr iranischer Vater mit seiner Firma scheitert und ihn die Mutter kurzerhand verlässt, woraufhin er zurück in den Iran kehrt. Sie fühlt sich ihr ganzes Leben fremd im eigenen Leben, als würde sie es nur spielen, als würde der Blöff jederzeit auffliegen. Die Heimat ihres Vaters hat sie nie besucht, sie ist in Kontakt mit ihm, sie telefonieren, selten kommt er nach Deutschland. Persisch hat sie nie richtig gelernt, sie ist in Deutschland geboren und doch erfährt sie immer wieder, oft sehr subtil, Rassismus und Diskriminierung. Wenn sie bei der Wohnungssuche ihren Namen nennt, wird aufgelegt. Wenn man sie sieht, wird sie wie eine Deutsche behandelt.
Eines Tages erreicht sie der Anruf ihres Vaters. Sie soll endlich in den Iran reisen. Und diesmal macht sie es. Auf der Suche nach ihren Wurzeln? Um diese Leerstelle zu füllen? Um die Familie dort kennenzulernen?
Drei Wochen verbringt sie hauptsächlich in Teheran bei ihren Onkeln, Tanten und Verwandten. Der Vater ist wenig da, er scheint ihr auszuweichen. Erst am Ende verbringt sie ein paar Tage mit ihm und seiner dritten Frau in den Bergen in einem halbfertigen Haus, eines der vielen Projekte ihres Vaters, und es entsteht so etwas wie Nähe.
Autofiktion ist normalerweise nicht gerade mein Lieblingsgenre. Zu oft finde ich, dass die nötige Distanzierung des:der Autorin von sich selbst, um aus dem Stoff Fiktion zu machen, nicht gelingt. Doch Terafik ist ein sehr gelungenes Beispiel. Es ist sprachlich schön zu lesen, die Geschichte geht auf und man kann gut nachfühlen, wie sich Nilufar fühlt. Fremd im eigenen Leben, fremd im Iran, aber dennoch irgendwie Dazugehörig, im Hinterkopf die Vorstellung, dass das Leben ihrer Verwandten auch ihr Leben sein könnte. Wir bekommen einen Eindruck von diesem schwierigen Land, mit all seinen Schönheiten, aber auch den Gefahren, den Unsicherheiten. Die jungen, gut ausgebildeten Menschen gehen weg, zu eingeschränkt, zu kompliziert ist das Leben im eigenen Land.
Zusammengefasst sind diese Erfahrungen, Beobachtungen und Gefühle in einem sehr schönen Satz am Ende.
„Es war wie nach Hause kommen in ein fremdes Land.“ S. 254
Schön zu lesen, spannendes Thema, gelungen erzählt. Ein gelungenes Beispiel für Autofiktion.