Nilufars Reise nach Iran und in die Vergangenheit

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Die Veröffentlichung „Terafik“ der Autorin Nilufar Karkhiran Khozani trägt die Beschreibung „Roman“ auf dem Cover, erscheint aber sehr nah an der Autorin selbst und ihrer ersten Reise als erwachsene Frau in das Geburtsland ihres Vaters entlang geschrieben zu sein.

Die Romanfigur Nilufar Karkhirian Khozani begibt sich nicht nur rein physisch das erste Mal nach Iran, sondern kehrt mithilfe von Erinnerungen zurück in ihre eigene Kindheit und das Aufwachsen in ihrem Heimatland Deutschland mit einem iranischen Vater, der, als Nilufar auf der Schwelle zur Teenagerzeit steht, kurz nach der Trennung von ihrer Mutter Deutschland wieder verlässt und nach Iran zurückkehrt. Auch seine Erlebnisse in Deutschland während des Ingenieurstudiums und darüber hinaus flechtet die Autorin – hier sicherlich besonders stark fiktionalisiert – in ihren Roman ein. So entsteht ein Geflecht aus autobiografischen Anteilen aus Ereignissen während der Reise Nilufars nach Iran, ihren eigenen Erinnerungen an das Aufwachsen und (kursiv im Text hervorgehoben) den Erlebnissen des Vaters in Deutschland, welches Nilufars Familiengeschichte vor allem väterlicherseits formt.

Für mich besonders interessant an diesem Roman sind die Beschreibungen des Besuches in Iran. Hier erleben wir mit Nilufar, wie es ist, in Deutschland nicht als „Deutsche“ zu gelten und in Iran nicht als „Iranerin“. Ein Eindruck, welchen viele - wenn nicht gar fast alle - Menschen, deren Eltern aus verschiedenen Kulturen stammen, teilen. Nilufar muss sich in die iranische Gesellschaft mit ihren rigiden Vorgaben für Frauen einfinden und bleibt stets wie ein Fremdkörper in diesem ausgeklügelten Tanz aus Verboten und kleinen Grenzüberschreitungen im Privaten. Die Beobachtungen in Iran sind damit die eindrücklichsten des Romans für mich. Auch die geschilderten Erfahrungen des Vaters in Deutschland und das Aufwachsen Nilufars sind nicht uninteressant, gleichen sich aber auch naturgemäß bereits existierenden Berichten von Eingewanderten und deren Nachkommen.

Sprachlich erschien für mich der Roman besonders zu Beginn sehr stark. Wenn immer wieder Gleichnisse verwendet werden, um die Eindrücke des Vaters zu verdeutlichen. Eine unheilvolle Atmosphäre entsteht hier sehr drängend:

„In der Dämmerung zogen schwarze Wolken auf, vereinzelte Tropfen schlugen auf dem Asphalt ein wie Granaten, ein Vogel schoss auf das Fenster zu, ein dumpfer Klang wie ein Fingertipp auf ein Mikrofon. […] Jeder Schritt, den er den Flur hinab tat, erschütterte die alten Dielen unter dem Linoleum, mit jedem Schritt hinterließ er kaum sichtbare Kerben im Boden der Fachhochschule. Ein Wasserfall strömte auf die angestaubte Stadt. […] Seine Hände waren immer schon Fäuste gewesen.Ein ganzer Fluss rann seinen Körper hinab, er watete durch einen Ozean. […] Der Himmel war Zement. […] Eine Maschinengewehrsalve aus Wassertropfen hämmerte gegen die Fenster.“

Leider hatte ich das Gefühl, dass diese angedeutete, brutale Intensität dann aber im Roman inhaltlich wie auch sprachlich nicht so richtig eingelöst wird. Eher berichtartig geht es danach weiter, was ich zwar interessiert gelesen habe, aber nicht in das Geschehen mitgerissen wurde.

Insgesamt ist der Autorin Nilufar Karkhiran Khozani ein sehr guter Blick von innen und außen auf das Leben ihrer Familie in Iran gelungen. An der Figur Nilufar konnte ich allerdings nicht so stark andocken, wie es mir bei anderen Büchern mit ähnlichem Inhalt (z.B. „Die Sommer“ von Ronya Othmann o.ä.) besser gelungen ist. Aus dem Roman werden mir einzelne gesellschaftliche Beschreibung aus Iran im Gedächtnis bleiben, die gesamte Geschichte jedoch leider weniger. Trotzdem gibt es von mir definitiv eine Leseempfehlung für alle, die einen Blick ins Innere dieses kontroversen Landes werfen möchten.

3,5/5 Sterne