Generation Unnahbar

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Der Roman „TESSA“ von Nicola Karlsson erschien 2013 bei den Ullstein Buchverlagen. Die Protagonistin des Buches ist Tessa, eine junge Frau, die in Berlin lebt. Neben ihr lernt der Leser auch einige von Tessas Freunden kennen, z.B. Charlotte. Außerdem erscheinen an ihrer Seite verschiedene Männer: Nick, Jens, Frieder, mit denen sie Beziehungen bzw. Verhältnisse hat.
Zu Beginn des Buches ist Tessa in einer Beziehung mit Nick aber ihre stetigen Selbstzweifel nagen an der Beziehung. An einem Abend, an dem der Verdacht er könnte sie betrügen Tessa nicht loslässt geht sie mit ihrer Freundin etwas trinken. Die Kombination aus Alkohol und Beruhigungstabletten führen schließlich dazu, dass die junge Frau vergewaltigt wird. Ihr stetiger Absturz zieht sich durch das gesamte Buch. Tessa verliert ihren Freund, beginnt verschiedene Affären und bleibt dennoch unglücklich. Die Einsamkeit versucht sie mit Medikamenten und Alkohol zu vertreiben. Sie verliert ihren Job, verfällt immer mehr den Drogen und kann bald ihre Rechnungen nicht mehr zahlen. Ihr Selbstzerstörerisches Verhalten gipfelt darin, dass sie von zwei Männern in einer Restaurantküche brutal missbraucht wird. Ein Angestellter bringt sie ins Krankenhaus, wo sie versorgt wird aber keine Anzeige erstattet. Auf ihrem Weg in den Abgrund hat Tessa all ihre Freunde verloren und niemanden mehr auf den sie sich verlassen kann. Ob die junge Frau ihr Leben wieder in geordnete Bahnen lenken kann bleibt offen.
Das Buch ist eine Schilderung des Verhaltens der „Generation unnahbar“ bzw. das Psychogramm einer typischen Vertreterin dieser Zeit. Die Suche nach Aufmerksamkeit, Liebe und Geborgenheit steht dem Drang nach Individualismus und Selbstverwirklichung entgegen.
Meines Erachtens berührt der Roman von Nicola Karlsson ein Stück unserer aktuellen Lebenswirklichkeit in Großstädten. Inhaltlich bleibt sie dabei stringent und versucht dem Leser die stetige Abwärtsspirale nahezubringen. Ihre Sprache wirkt bei Tessas Beschreibungen ihrer Wünsche und Sehnsüchte fast blumig, wohingegen die Autorin bei den Situationsbeschreibungen sachlich und kühl, teilweise sogar harte Ausdrücke verwendet. Dadurch wird der Widerspruch in Tessas Gefühls- und Erlebenswelt noch deutlicher. Die Handlung ist schlüssig und verständlich, den Leser der zu diesen Lebensweisen keinen Bezug hat, wird die Beschreibung eventuell an manchen Stellen schockieren. Doch das ist sicher so gewollt. Als Gesamteindruck bleibt das Erschrecken über die harte Realität, wie sie mitten unter uns, z.B. in unserer Nachbarschaft, sein kann. Die Figur Tessa hat Kontur, wirkte dabei auf mich aber meist unsympathisch. Eine Reaktion, die die echte Tessa durch ihr Verhalten, sicher auch in ihrem Bekanntenkreis auslösen würde.
Ich kann das Buch Lesern empfehlen, die bereit sind, sich in großstädtische Abgründe zu begeben und die nicht davor zurückschrecken zu erkennen, dass sie in ihrem eigenen Umfeld vielleicht einiges übersehen haben. Wer die nackte Realität aber scheut, für den ist „Tessa“ sicher kein idealer Lesestoff. Wer allerdings den Anstoß sucht mal wieder über sich selbst und unsere Gesellschaft nachzudenken, wird bei Nicola Karlsson fündig werden.