Dunkel

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milagro Avatar

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Das Cover hat mich sogleich angesprochen, dieses einfache Gesicht, das bei näherer Betrachtung vieles in sich birgt: den Blick einer jungen Frau, ein wenig lasziv, die Blume erinnert an die Hippies, die Wimpern deutlich geschminkt, klasse erster Eindruck. Die Beschreibung hatte mich dann noch neugieriger gemacht und ich ahnte, das Buch ist meins. Ich habe es verschlungen. Ich musste es zwischendurch aus der Hand legen, um den Kopf von den Bildern freizubekommen.
Evie, jung , unbeachtet, gerade mal ein Teenager, sieht im Park ein Mädchen in einer kleinen Gruppe, das sie sogleich magisch anzieht. Deren Auftreten, Sorglosigkeit und Unbekümmertheit lassen Evie fortan nicht mehr los. Als einzige Tochter geschiedener Eltern steht sie selbst nicht im Mittelpunkt des Interesses der Eltern, die sind viel zu sehr mit sich selbst und den neuen Partnern beschäftigt. Auch Evies einzige Schulfreundin ist eher eine notwendige gesellschaftliche Beziehung, ein wenig bösartig gehen sie miteinander um, nein, nicht mit- besser gesagt neben einander warten sie auf das, was irgendwann kommen mag, ein Junge, der sich für sie interessiert. Durch Zufall trifft Evie erneut auf das unbekannte Mädchen, die Faszination steigert sich, ihre Gedanken kreisen um sie. Zu Hause nicht wahrgenommen, letztlich allein, fährt sie später mit Suzanne, eben dem Mädchen und deren Begleiterinnen auf eine heruntergekommene Ranch, nimmt die Sorglosigkeit und Nähe, die Freundlichkeit wahr, sie selbst wird wahrgenommen, während der Leser bedrückt die dunklen Schatten sieht. Essen aus Müllcontainern, ungewaschene Haare, ein kleiner Junge, der getrennt von seiner Mutter bleiben wird, alles erscheint erklärbar, alles aufregend, alles richtig. Dass das vielleicht nicht ganz so richtig sein dürfte, erkennt Evie auch nicht, als der Anführer der fast ausschließlich aus jungen Frauen bestehenden Gruppe sie subtil zum Oralsex bringt, er möchte sich eben nur gut fühlen und das möchte Evie doch auch, oder? Die Schauer, die dem Leser den Rücken herunter laufen, helfen nicht. Evie verstrickt sich immer weiter, sie unterstützt die Gruppe, sie lügt, sie stiehlt, sie fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft. Ihre Gefühle Suzanne gegenüber sind echt, sie liebt sie auf eine sich selbst aufgebende Art, Suzanne dagegen, ein paar Jahre älter, erfahrener, bleibt indifferent. Sie duldet Evie eher in ihrem Leben als dass sie deren Liebe erwidert. Die Männer, die hinzukommen, bleiben Randfiguren, teils gräßlich, teils durchschaubar. Unaufhaltsam steuert die Gemeinschaft auf einen Punkt zu, der zufällig erscheint, eine Nichtigkeit führt in das Verderben. Durch berechnende Art und geschickte Manipulation wird eine Tat geplant, die Ausführung übernehmen die Gruppenmitglieder, ohne zu hinterfragen, ohne zu zögern, ohne Mitleid. Einzig der Umstand, dass die folgenden Szenen in ihrer Brutalität ehrlich beschrieben sind, lassen den Leser nicht zusammenbrechen.
Die Perspektive wechselt in der Geschichte, sie wird rückblickend erzählt, mit Episoden und Parallelen. Das ist nur ganz zu Beginn verwirrend, im Verlauf der Geschichte konnte ich dadurch aufatmen.
Eine grausame, aber nachvollziehbar und realitätsnahe Geschichte habe ich da gelesen. Sie war faszinierend.