Ein Mädchen auf der Suche nach sich – Kalifornien 1969

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evelynm Avatar

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Durch das Auftauchen der beiden Jugendlichen Jonathan und Sasha wird Evie in ihre Vergangenheit zurückversetzt und erkennt in Sasha sich selbst in ihrer Teenagerzeit. Diese Erinnerungen sind bisweilen sehr schmerzhaft für Evie, denn sie geriet in den Bann einer Kommune.
Im Jahre 1969 ist Evie Boyd 14 Jahre alt und auf der Suche nach sich selbst und Anerkennung bei ihren Eltern und ihrer Umwelt. Die unscheinbare und naive Evie leidet unter der Trennung ihrer Eltern: ihr Vater ist mit seiner Geliebten weggezogen und ihre Mutter beschäftigt sich lieber mit ihrem eigenen Leben und ihrem Freund Frank/Sal. Connie ist Evies einzige Freundin, doch sie ist nur Mittel zum Zweck, denn Evie hat sich in deren Bruder Peter verguckt. Eines Tages begegnet Evie den Hippie-Mädchen Suzanne, …. die so ganz anders aussehen und ein vermeintlich freies Leben in einer Kommune führen. Sie schließt sich ihnen an und lernt so Russell, den Kopf der Kommune kennen. Er spricht von Liebe und Freiheit und scheint Evie endlich zu sehen. Zunächst tastet sie sich ganz langsam an die Hippies heran. Die Mädchen und vor allem Suzanne scheinen Russell fast schon hörig zu sein und es gibt auch Kinder auf der Ranch. Auf einer heruntergekommenen Ranch leben sie zusammen, haben kaum etwas zu essen und beschaffen sich ihre Lebensmittel aus den Containern der Supermärkte. Besitz ist für sie nicht wichtig und so teilen sie sich auch ihre Kleidung. Immer mehr gerät Evie in den Sog von Suzanne und Russell, lässt sich auf sexuelle Spiele und Drogen ein und belügt ihre Mutter, wenn sie sogar Nächte auf dem Hof verbringt. Im Rückblick auf diese Zeit muss sich Evie eingestehen, dass es viele Warnsignale für den Zerfall und das Ende der Kommune gab und nicht alles so märchenhaft war, wie sie sich das eingebildet hatte. Alles endet in einer unheilvollen Nacht, die schlagartig die Kommune „sprengt“ und nicht nur Evies Leben für immer verändert.

Russell – trotz geringer gesanglicher Talente und Ausstrahlung schafft er es auf subtile Weise, junge Mädchen um sich zu scharen. Auch Drogen und Gerede von einer tiefen Liebe, die in der bestehenden Gesellschaft nicht möglich sei, gehören zu seiner Philosophie. Dabei ist er feige, selbstgerecht und davon überzeugt ein musikalisches Genie zu sein. Er nutzt die Bedürftigkeit der Mädchen schamlos aus und erhebt sich über seine Kommune, die angeblich ohne Hierarchie auskommen soll. Russell ist ein Blender.
Suzanne – sie steht unter dem Einfluss von Russell und folgt ihm blind. Sie lässt sich von ihm manipulieren und wird so zu seiner Gehilfin.
Evie – ist blind für den Verfall der Ranch und befindet sich im Sog von Suzanne und Russell. Für jedes bisschen Zuneigung von ihr, ist Evie bereit, sich gegen ihre Eltern zu stellen. Evies Mutter ist blind für die Veränderungen ihrer Tochter und glaubt ihr bereitwillig, dass sie bei Connie ist. Sie fragt nicht nach und beschäftigt sich lieber mit ihrem neuen Freund, von dem sie sich ebenso Anerkennung wünscht wie Evie sich von ihrer Umwelt. Auch Evies Vater steht seiner Tochter hilflos gegenüber.

Emma Cline ist ein eindrucksvoller, unheimlicher, aufwühlender Debütroman gelungen. Ihre Sprache ist klar und zieht den Leser schnell in seinen Bann. Die Rückblenden in Evies Zeit auf der Ranch und jene unheilvolle Nacht machen die Geschichte von Evie und den „Girls“ sehr lebendig und lassen einem immer wieder das Blut in den Adern gefrieren. Als Eltern fragt man sich schon, ob man sein Kind genug wahrnimmt und begleitet. Eine zutiefst erschreckende und wachrüttelnde Geschichte über elterliche Hilflosigkeit, dem Wunsch nach „Gesehenwerden“, falsche Vorbilder und das Ignorieren von Warnungen, die unterschwellig aus dem eigenen Inneren heraus kommen. Der Titel ist gut gewählt, denn im Grunde dreht sich die Geschichte hauptsächlich um Suzanne und ihre Freundinnen, in deren Bann Evie gerät. Russell spielt da eher eine Nebenrolle. Das Cover täuscht sehr über die Dramatik des Buches hinweg und vermittelt den Eindruck von einer „blühenden“ Zeit. So sahen es wohl viele Menschen während der Hippie-Zeit.