Irritierend und verstörend

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lunamonique Avatar

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„The Girls“ ist der Debütroman von Emma Cline. Gleich mehrere renommierte Verlage hatten sich einen Bieterstreit um das Werk der amerikanischen Autorin geliefert. Die englische Originalausgabe ist bei Random House in New York erschienen.

Kalifornien, 1969, die vierzehnjährige Evie Boyd ist fasziniert von der fünf Jahre älteren Suzanne. Suzanne lebt in einer Kommune. Boss Russell wird von seinen Anhängern verehrt. Evie buhlt um Aufmerksamkeit. Das freie, abenteuerliche und coole Leben der Gruppe wirkt unwiderstehlich auf sie. Ihr Abstieg ist vorprogrammiert.

Die Ich-Figur in der Einleitung könnte auch eine männliche Person sein. Tatsächlich handelt es sich um Evie. Der Anfang der Geschichte verwirrt. Ein unvorhergesehenes Ereignis sorgt für Spannung. Erst langsam kristallisiert sich heraus worum es überhaupt geht. Evie führt ein unstetes Leben, schlägt sich mit Betreuungsjobs durch. Was ihr nachhängt, und sie nicht vergessen kann, ist ein schreckliches Ereignis in der Vergangenheit. Heute und der Rückblick ins Jahr 1969 wechseln sich ab. Die Grundstimmung ist von einer leichten Traurigkeit behaftet. 1969, Evie ist einsam, fühlt sich unsichtbar. Die Jungs ignorieren sie. Selbst ihren Schwarm Peter kann sie nur kurz auf sich aufmerksam machen. Das Leben scheint an ihr vorbei zu rauschen. Evie sehnt sich nach einem Abenteuer. Die Emotionen der Vierzehnjährigen lassen sich nachvollziehen. Sie steckt mitten in der Pubertät. Zufallsbekanntschaft Suzanne wird zum Vorbild. Suzanne überschreitet Grenzen, ist cool, schlagfertig und mutig. Schwer nachvollziehbar ist Evies Naivität, ihre fehlende Vorsicht und das kaum vorhandene Misstrauen. Evie verwandelt sich in ein willenloses Opfer, das sich ohne Probleme manipulieren lässt. Sie gerät in einen Strudel aus Sex, Drugs und Rock n‘ Roll. Der Abstieg geht rasant schnell. Evie sieht nichts Negatives, für sie ist alles aufregend und besonders. Sie lässt sich mitreißen und kommt sogar selbst auf heikle Ideen. Suzannes und Russells Reiz wird nicht greifbar. Ihre Skrupellosigkeit, ihre fehlendes Verantwortungsbewusstsein schockiert. Das „Warum?“ beschäftigt. Wie hat sich alles in einen Alptraum verwandelt? In weit war Evie in das Verbrechen involviert? Die Geschichte erinnert stark an die Manson-Family und die unfassbare Ermordung von Sharon Tate und vier weiteren Menschen im Jahr 1969. Tatsächlich gibt es Parallelen. Das gleiche Jahr, die gleiche Unschuld der Opfer, die Kommune, drei Frauen und ein Mann als Täter, Musiker Manson… Ist das wirklich die Grundlage für diesen Roman? Der Vergleich ist schlüssig und hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack. Erzählton und Erzählstil unterstreichen das Verstörende. Das Ende ist von Anfang an klar. Evie bleibt bis zum Schluss ein Rätsel.

Das Cover hat Ausdruck und Schönheit und passt im Nachhinein wenig zur eskalierenden Geschichte. „The Girls“ hat spannende Passagen und ist gut geschrieben. Den Hype um dieses Werk lässt sich nach dem Zuklappen trotzdem schwer verstehen. Es ist kein Roman, der im Gedächtnis bleibt, sondern aufgrund der negativen Schwingungen schnell aus dem Kopf verschwinden sollte.