Der andere Sinn

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mammutkeks Avatar

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Zwei junge Mädchen werden entführt - sie sind zwölf, kommen aus unterschiedlichen US-Staaten, sind intelligent und hübsch. Der Entführer nennt sich - nach vielen Nachfragen der Mädchen - Zed, ansonsten erfährt man auf den teilweise quälend sich dahinschleppenden knapp 480 Seiten des vorgeblichen Thrillers "The other girl" nicht viel über ihn. Vielleicht noch, dass er gutaussehend und wohl ganz sympathisch ist.
Die Entführung geht gut aus - die Mädchen werden befreit und kommen zurück in ihre Familien. Diese Tatsache gefällt ihnen zwar nicht unbedingt, aber spätestens nach einigen Jahren ist das Leben in der Familie ja sowieso beendet: Aus der einen wird eine Autorin und Dozentin für englische Literatur, aus der anderen ein Model und eine Schauspielerin.
Welche Eindrücke, vielleicht sogar Traumata sie aus der Entführung und den sechs Wochen zusammen mit ihrem Entführer und miteinander in der Waldhütte mitnehmen, bleibt wie so vieles in diesem Roman von Maggie Mitchell ungesagt. Die Erinnerungen sind nicht pauschal schlecht, so viel kann gesagt werden.
Die Rahmenhandlung spielt in der Jetztzeit: Lois und Carly Mae (als Schauspielerin nennt sie sich Chloe, während Lois das Alias Lucy für ihren Roman gewählt hat) sind inzwischen Ende 20, haben sich einigermaßen etabliert. Lois hat die Zeit der Entführung in einem autobiographisch angehauchten Roman verarbeitet, der nun mit Chloe in der Rolle der Ermittlerin Mandy verfilmt werden soll.
So weit, so gut. So könnten auch die Zutaten eines spannenden Thrillers aussehen. Mitchell gelingt es allerdings so überhaupt nicht, überhaupt nur einen Ansatz von Spannung zu entwickeln. Selbst die krude Figur des Studenten Sean bringt zwar etwas Verwirrung und auch einen kleinen Moment von Angst vor Messern, aber mehr leider auch nicht.
Die fehlende Spannung ist das eine - das andere ist aber, dass mir auch nach der Lektüre überhaupt nicht klar ist, was mit diesem Buch ausgesagt werden soll. Weder wird der Fall geklärt, noch geht es darum, die Beweggründe der Mädchen, überhaupt ins Auto von Zed zu steigen, aufzuarbeiten, noch wird in der Jetztzeit etwas Bewegendes erzählt.
Dabei ist "The other girl" nicht langatmig geschrieben - auch Wortwahl und Wortwitz sind ansatzweise vorhanden, aber man fragt sich nach der Lektüre immer wieder "was soll das"? Und trauert ein wenig der verlorenen Zeit hinterher - hätten doch andere Bücher in der Zeit gelesen werden können.