The other Girl

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gisel Avatar

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Carly May und Lois waren zwölf Jahre alt, als sie von einem Fremden entführt wurden und zusammen mit ihm in einer Jagdhütte im Wald den Sommer verbrachten. Die beiden Mädchen werden zu Freundinnen, die sich sehr gut kennenlernen. Doch nachdem sie befreit wurden, durften sie keinen Kontakt mehr zueinander haben.
Zwanzig Jahre später hat Carly May ihren Namen in Chloe geändert und arbeitet als Schauspielerin, Lois wurde zur Literaturprofessorin, die aus ihrer Entführungsgeschichte einen Roman geschrieben hat. Das Buch soll nun verfilmt werden, mit Chloe als einer der Darstellerinnen. Beide merken: Die Vergangenheit ist noch nicht vorbei. Noch immer beschäftigt sie die Frage, was der Entführer denn nun von ihnen wollte, denn vergewaltigt hat er sie nicht. Wie weit müssen die beiden in ihre Vergangenheit eintauchen, um sie zu bewältigen? Wieviel Nähe brauchen sie erneut zueinander?
Die beiden Mädchen werden sehr komplex dargestellt. Durch den Wechsel zwischen den Sichtweisen von Lois und Carly May bzw. Chloe erhält der Leser Einblick in ihre intimsten Gedanken und kann sich so nach und nach sowohl von dem damaligen Sommer wie auch von dem jetzigen Geschehen einen Eindruck verschaffen. Eingeschoben ist ein Auszug aus Lois‘ Geschichte über die Entführung. Manchmal wirkt das etwas langatmig, so dass mein Lesefluss etwas ins Stocken kam. Doch immer weitergetrieben wird die Erzählung durch die Frage, die die Mädchen auch heute noch beschäftigt, nämlich was überhaupt das Motiv des Entführers war. Durch die zeitliche Perspektive – 20 Jahre nach der Entführung wird alles erneut aufgerollt – wird nicht nach einem Täter gesucht, denn der steht ja schon fest, sondern der Fokus wird auf die drei Protagonisten des Sommers verschoben mit der ihnen eigenen Motivation, wobei auch die Mädchen sich anders verhalten als gemeinhin erwartet. Genau diese Unvorhersehbarkeit macht den Reiz dieses Buches aus, alles andere kennt man aus vielen anderen Krimis und Thrillern. Aber genau auf diese unvorstellbare Motivation der Mädchen muss sich der Leser erstmal einlassen, denn ansonsten wird er zutiefst enttäuscht werden und keinen Zugang zu dieser Geschichte finden.
Mir blieben zum Schluss einige Handlungsfäden noch offen, das hinterlässt etwas Missmut bei mir. Hier verschenkt die Autorin m.E. etwas Potenzial, denn ansonsten finde ich, dass dieses Buch mal etwas anderes ist als die üblichen Neuerscheinungen. Alles in allem von mir eine eingeschränkte Leseempfehlung.