Ruhiger Mainstreamthriller, nette TAcKTIcK

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
lex Avatar

Von

In „TICK TACK - Wie lange kannst du lügen“ probiert Megan Miranda etwas Neues und lässt die Zeit rückwärts laufen. Nach einer kurzen Einführung, beginnt sie bei Tag 15 und wandert von dort zurück bis zu Tag 1, an dem die 28-jährige Nicolette in ihrer Heimatstadt Cooley Ridge ankommt. Vor zehn Jahren ist hier die kapriziöse Corinne verschwunden. Deren Clique - Nic, Tyler, Daniel, Jackson und Bailey - hat nie herausgefunden, was wirklich geschehen ist. Nun kehrt Nic zurück, um das Haus ihres demenzkranken Vaters zu verkaufen. Kaum ist sie in der Stadt, verschwindet wieder ein Mädchen und die Erinnerungen an damals kämpfen sich zurück in die Gegenwart.

Kann man eine Geschichte rückwärts erzählen? Das hat mich interessiert und ja, das geht tatsächlich, liest sich allerdings nicht so innovativ wie vermutet. Megan Miranda folgt in vielen Dingen einem normalen Thrillerkonzept. Heißt: Sie füttert den Leser häppchenweise mit Informationen und kommt erst ganz am Ende zu den Hintergründen. Das wirkt fast schon chronologisch-linear. Nur Kleinigkeiten geben das Gefühl, dass man die Geschichte von hinten aufrollt. Für einen Ausnahmethriller wären deutlich mehr AHA-Erlebnisse für den Leser notwendig gewesen.

Erzählt wird "TICK TACK" aus der Perspektive von Nic(olette), die mit der Vergangenheit noch nicht abgeschlossen hat und deshalb viel über ihre früheren Freundschaften reflektiert. Das ist zum Teil ein Problem der Geschichte: Denn dadurch erscheint das Geschehen oft monologhaft und zeitlich austauschbar. Nic driftet mit ihren Gedanken ab, denkt mal an die verschwundene Corinne, mal an ihren Vater, mal an ihren Ex Tyler oder ihren aktuellen Verlobten Everett. Manchmal hatte ich keine Ahnung, wann und wo ich mich gerade befinde und welche Informationen den Charakteren zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Auch die Plausibilität ist nicht durchgehend gegeben, weil wichtige Begebenheiten der ersten Tage am Anfang des Buches (zeitlich also später) von Hauptfigur Nic gar nicht mehr reflektiert werden. Das führt die Idee teilweise ad absurdum.

„TICK TACK“ suggeriert einen gehetzten Countdown, doch genau diesen Eindruck vermittelt das Buch nun gerade nicht, denn der Erzählfluss ist eher ruhig. Spannungsspitzen gibt es nur wenige und erst gegen Ende zieht das Tempo an, um auf den letzten Seiten wieder nachzulassen. Megan Miranda hat einen Schreibstil, der flüssig und gut lesbar ist, aber bisweilen sehr ausschmückend ist. An einen Absatz mit interessanten Fakten hängt die Autorin gerne eine Metapher, was mir hin und wieder zu orakelhaft war, zu nichtssagend, langatmig und schönschreiberisch.

"Die Mahlzeiten gingen ineinander über, die Tage und Stunden verloren ihre Struktur. Ich fand keinen Schlaf und kompensierte es tagsüber mit zu viel Kaffee. (...) Es gab zuviele Möglichkeiten. Die ganzen Namen und Ereignisse, die in dem fiktiven Karton miteinander verbunden waren, sich in meinem Kopf verflochten und wieder entwirrten." S.194

Trotz dieser Kritik hat mich die Frage, was mit den beiden Mädchen geschah, an zwei Nachmittagen durchaus unterhaltend durch die Seiten geführt. Über die Schwächen konnte ich mit der Zeit hinweglesen und ich hatte nie den Wunsch, das Buch abzubrechen, sondern wollte immer mehr herausfinden. Im letzten Drittel konnte ich mich sogar nur schwer von den Seiten lösen. Der Plot und die Charaktere waren wie ein interessantes Puzzle. Man erfährt zwar nur Bruchstücke über die Figuren, aber gerade das hat im Kontext der Auflösung gepasst und sich in das Setting eingefügt. Kleinstädte sind tolle Thrillerkulissen. Einerseits meint man, alles über die anderen zu wissen, andererseits ist das natürlich eine Illusion - niemand kennt den anderen wirklich, oft kennen wir uns ja selbst nicht besonders gut. Die Hintergünde waren für mich daher nachvollziehbar und nicht zu abgehoben. Wie so oft vermischt sich hier aber Thriller mit Tragödie.

Fazit: „TICK TACK - Wie lange kannst du lügen?“ erzählt eine Geschichte rückwärts. Das ist punktuell nett gemacht, liest sich aber nicht revolutionär, da Megan Miranda viele Ereignisse austauschbar gestaltet und damit nicht durchgehend ein roter Faden für den Leser erkennbar ist. Die Geschichte ist von ruhig-psycholgischer Natur, hat ihre Längen und ist teilweise etwas verwirrend. Trotz Schwächen in der Umsetzung haben mich die Geheimnisse gereizt. Ich mochte die Idee und konnte auch die Auflösung nachvollziehen. Die Leseprobe gibt einen hilfreichen Eindruck - wer unsicher ist, sollte sich Megan Mirandas Erzählweise am besten vorher mal ansehen.