Noch besser als der erste Teil!

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singstar72 Avatar

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Mit großer Spannung hatte ich den zweiten Teil um Polizeipfarrer Martin Bauer erwartet. Die Autoren hatten schon im ersten Band eine sehr glaubwürdige Figur geschaffen, an deren Schicksal man Anteil nimmt. Ich muss sagen, dass der zweite Teil weitaus mehr als ein würdiger Nachfolger ist! Die Figur Martin Bauer wird noch runder gezeichnet, und im Bereich Spannung haben die Autoren sogar noch einen draufgelegt. Dieser Band steht zeitgenössischen Thriller-Größen wirklich in nichts nach!

Obwohl viele Themen angeschnitten werden, finde ich das Buch nicht überladen, und das ist schon eine große Kunst. Alles wirkt organisch, jedes Kapitel bedacht, der Plot ausgewogen.

Ein Großteil dreht sich um den Bergbau im Ruhrgebiet – da ja die erste Leiche tief in einem Schacht einer aufgegebenen Zeche gefunden wird. Die Autoren haben großartig recherchiert! Man erfährt viel über den Zusammenhalt der „Kumpel“, über psychologische Eignung, über Fördermaschinisten, Gefahren unter Tage, die Absicherung von Stollen, und vieles mehr. Doch das alles ist nicht nur „Lokalkolorit“, sondern hat intensiv mit dem Fall zu tun.

Auch finde ich die Atmosphäre der „kleinen Leute“ in den 50er und 60er Jahren im Ruhrgebiet gut getroffen. Wie Bergarbeiterfamilien sich fühlten und zusammenhielten. Die kleinen Siedlungen. Die Kinder gingen in den Kirchenchor. Und man traf sich im Kiosk an der Ecke. Sogar ein paar Zeilen Ruhrpott-Slang kommen vor!

Wie schon im ersten Band, werden die Aufgaben eines Polizeipfarrers gut beleuchtet. Diesmal sogar aus doppelter Perspektive – denn Martin Bauer ermittelt ja gerade deswegen auf eigene Faust mit, weil es um das Leben seines katholischen Kollegen geht! Dabei wird der Glaubensaspekt sehr ökumenisch betrachtet. Die Bibelzitate sind gut gewählt, und auch nicht zu zahlreich. Unterschiede zwischen Protestantismus und Katholizismus werden zart angedeutet – aber auch nicht ausgeblendet. Mir als Leser wurde unmittelbar klar, dass für Martin Bauer sein Beruf auch eine Berufung ist.

Der Fall an sich hat mich diesmal wahrhaft umgehauen! Wie in den besten Thrillern echter Größen des Fachs auch. Wenn man es nicht wüsste, würde man den Unterschied zu einem Jo Nesbo kaum noch bemerken. Es gibt einen dramatischen Prolog. Immer wieder Auszüge aus einem Tagebuch eines damals betroffenen Kindes. Dann wieder Kapitel aus der Sicht des Täters. Und einen waschechten Showdown, der wirklich knapp ausgeht!

Und zu allem Überfluss – Hut ab! - werden auch noch die privaten Querelen beider Ermittler, also Martin Bauer (als „Inoffizieller“) und Verena Dohr ( als „Offizieller“), gleichmäßig berücksichtigt. Am Ende des ersten Bandes hatte sich ja Bauers Frau vorläufig von ihm getrennt, obwohl sie schwanger war. Diese offene Frage schwebt die ganze Zeit durch die Handlung. Und Verena Dohr kämpft einerseits mit ihrem Kollegen Karmann (elendes Arschloch, das er ist), andererseits mit ihrem drogensüchtigen Lebensgefährten. In beiden Fällen findet sie kreative Lösungen…!

Ich weiß wirklich im Grunde nicht, wo ich anfangen soll, so begeistert bin ich! Martin Bauer ist für mich zu einem echten Helden geworden. Der zwar seine Ecken und Kanten hat – so versetzt er hier mehrfach, im Eifer des Gefechtes, seine Familie. Aber er hat einen unglaublichen Riecher für die Dringlichkeit einer Situation. Und für die Nöte der Menschen. Ich hoffe, er wird sich auch in weiteren Bänden fest in der deutschen Krimi-Szene etablieren.