Großes Potenzial mit Umsetzungsschwächen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
cindy Avatar

Von

„To Cage a Wild Bird“ bringt genau das mit, was ich an Dystopien liebe: ein brutales Gefängnis, gefährliche Spiele, moralische Grauzonen, ein kaputtes System und eine Protagonistin, die sich ihren Weg durch eine feindliche Welt bahnen muss. Die Grundidee rund um Endlock ist richtig spannend und hat extrem viel Potenzial. Gerade dieses Gefängnissetting hat mich direkt abgeholt.

Trotzdem hatte ich immer wieder das Gefühl, dass die Welt außerhalb der Mauern ein bisschen im Schatten bleibt. Für eine Dystopie ist es für mich superwichtig zu verstehen, wie es zu diesem System gekommen ist, warum die Welt so funktioniert und wie das Leben für die restlichen Menschen eigentlich aussieht. Politik, Alltag, Strukturen, all das wird nur angeschnitten. Das Worldbuilding konzentriert sich stark auf Endlock (und am Anfang etwas auf die Stadt) aber die große Welt bleibt blass. Dadurch fehlte mir an einigen Stellen der Kontext, um richtig einzutauchen.

Raven dagegen hat mir gut gefallen: stark, emotional, nicht perfekt. Auch die Nebencharaktere waren interessant, auch wenn ich mir bei ihnen noch mehr Tiefe gewünscht hätte. Vale mochte ich ebenfalls, aber er bleibt insgesamt auch etwas blass. Was mir schwer fiel, war die Verbindung zwischen ihm und Raven wirklich zu fühlen. Die Romance war für meinen Geschmack sehr übereilt und ein bisschen zu übertrieben für das Setting, da hätte ich mir hier deutlich mehr Zwischenmenschliches und Slow Burn erhofft.

Die Handlung selbst geht flott voran, was grundsätzlich nicht schlimm ist, nur bleibt dadurch manchmal genau das auf der Strecke, was man in solchen Geschichten braucht: emotionale Entwicklung. Dafür gab’s ein paar Wendungen, die ich definitiv nicht kommen gesehen habe und der Schreibstil ist angenehm, flüssig und macht es superleicht, in die Story einzusteigen.

Unterm Strich: ein gutes Buch mit richtig viel Potenzial, bei dem ich mitgefiebert und auch ein bisschen mitgelitten habe aber eben kein Highlight. Die Balance zwischen Dystopie und Romance hätte für meinen Geschmack besser sitzen können.