Roman auf zwei Zeitebenen

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marionhh Avatar

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Nach einem schweren Kletterunfall erwacht die erfahrene Kletterin und Laborärztin Romy Conrad nahezu unverletzt in einer Höhle. Während ihrer Ohnmacht hatte sie merkwürdige Visionen von einer jungen Frau namens Iriomé, die vor 500 Jahren auf der Kanareninsel La Palma lebte, von einem Drachenbaum und einem Pilz namens Amakuna, der heilen kann. Die Wissenschaftlerin in Romy tut dies zunächst als Hirngespinst ab, berichtet aber ihrer todkranken Freundin Thea davon. Diese testet zurzeit ein neues Krebsmittel namens Avistan, das Romys Arbeitgeber auf den Markt bringen will. Romy hat erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit und sieht es sogar als gefährlich an. Kurzerhand stoppt Thea die Behandlung und beide Frauen reisen nach La Palma um zur Ruhe zu kommen. Romy möchte außerdem ihrer Vision nachgehen, auch wenn sie nach wie vor der Meinung ist, dass alles nur ein Traum war. Sie findet den Pilz tatsächlich, flößt ihn Thea ein und diese genest auf wundersame Weise. Romy will daraufhin den Pilz ihrer Firma zur Forschung zur Verfügung stellen um schließlich die Menschheit von allen Krankheiten heilen zu können.

Zurück in Deutschland berichtet sie ihrem Chef von ihrem Fund und schickt auch Proben an ihren alten Mentor, muss dann aber feststellen, dass der international operierende Pharmakonzern Forster´s Health ihren Arbeitgeber übernommen hat und mit allen Mitteln die Einführung von Avistan durchsetzen will. Dabei lernt sie den charismatischen CEO Nic Saratoga kennen. Nic weiß von ihrer Entdeckung und verführt sie nach allen Regeln der Kunst. Mit aller Macht will Forster´s Health an den Pilz kommen, und sie kennen keine Skrupel. Doch noch immer hat Romy Visionen von Iriomé, der Frau aus der anderen Zeit, und die Verbindung zwischen den beiden Frauen wird immer stärker...

Pharmathriller, Roman auf zwei Zeitebenen, Liebesgeschichte – dieses Buch hat alles, was es für eine spannende, zutiefst packende Lektüre braucht. Der Schreibstil der Autorin ist dermaßen flüssig, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann, das Thema und die Charaktere sind außerordentlich stark umgesetzt, so dass man sofort mittendrin in der Geschichte ist und mit den faszinierenden Frauenfiguren lebt und fühlt. Trotzdem ist dies kein Buch nur für Frauen, auch wenn es sicher eher eine weibliche Leserschaft ansprechen wird. Einerseits die interessante weitgehend unbekannte Geschichte der Altkanarier, der „Guanchen“, und ihre Unterwerfung durch die spanischen Eroberer, andererseits die Machenschaften des Pharmakonzerns, die sowohl Romantiker, Historiker als auch Thrillerfans begeistern dürften. Nichtsdestotrotz lebt das Buch meines Erachtens hauptsächlich durch die im Geiste verbundenen Frauen Romy und Iriomé, die es schaffen, sich im Laufe des Ereignisse zu emanzipieren und sich durch die Zeiten hinweg beizustehen. Die Figuren und Ereignisse aus dem 15. Jahrhundert finden sich nahezu eins zu eins in der Neuzeit wieder bzw. lassen sich einander zuordnen, der Leser erkennt recht schnell die Zusammenhänge, was der Spannung aber nicht abträglich ist. Mitunter bekommt das Ganze dann auch einen starken mystischen Touch, besonders im Zusammenhang mit dem „Heiligen Krieger“ Tanausú, Romys anfangs unsichtbarem Verfolger. Ob Tanausú wirklich unsterblich und die anderen Zeitgenossen aus dem 15. Jahrhundert wiedergeborene Seelen sind, bleibt der Fantasie eines jeden Lesers selbst überlassen. Dies tut dem Lesevergnügen und der Spannung aber bei Weitem keinen Abbruch.

Beide Frauen sind starke Charaktere, machen im Laufe der Ereignisse einen Wandel durch und besonders Romy als moderne Frau und Wissenschaftlerin hinterfragt alles, zweifelt oft und glaubt eigentlich nur das, was sie sieht und empirisch erforscht hat. Erst zum Schluss hat sie Vertrauen in sich und ihre Gefühle. Iriomé ist näher dran am mystischen Wissen ihrer Vorväter, glaubt an übernatürliche Mächte und vermag die ihr innewohnenden Kräfte viel eher zu wecken. In gefährlichen Situationen wachsen aber beide über sich hinaus und treffen blitzschnell ihre Entscheidungen. Aber auch die Nebenfiguren sind eigentlich keine Randfiguren, sondern vielschichtig und ausgefeilt dargestellt und spielen alle eine wichtige Rolle für den Fortgang der Geschichte.

Das Buch kommt im Übrigen sehr edel daher, mit Karten von La Palma und Spanien im vorderen und hinteren inneren Einband und sehr ansprechendem Cover. Die Erzählung erfolgt chronologisch, und jedes Kapitel ist überschrieben mit dem Symbol, das der Protagonistin der jeweiligen Zeitebene zugeordnet ist, so dass man immer sofort erkennen kann, welche Zeit jetzt folgt. Ich persönlich fand es sehr gut, dass eine Zeitebene immer recht lange andauerte, so wurde der Lesefluss nicht durch abrupte Sprünge permanent unterbrochen und man konnte tief in die jeweilige Geschehnisse eintauchen.

Fazit: Ein rundum gelungener Start in die dreibändige Amakuna-Saga, die Lust auf Mehr macht, und eine interessante Autorin, die sich an eine packende Geschichte gewagt hat und die man sich merken sollte. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten, wie es mit Romy und Iriomé weitergeht!