Sehnsucht nach der leuchtenden Stadt Smyrna

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jackolino Avatar

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Was einen schon zum Beginn für das Buch einnimmt, ist das sehr schöne Cover. Das gemalte Bild einer schönen, jungen Frau im schwarz-weiß gestreiften Kleid vor einem rosé farbenen Hintergrund mit weißen Blüten.
Bei dieser jungen Frau muss es sich wohl um Panayota oder Schehezerade handeln, um die Tochter der ehemals leuchtenden Stadt Smyrna.

Smyrna ist der frühere Name des heutigen Izmir. Damals handelte es sich um eine kosmopolitische Stadt, die von Türken, Griechen, Armeniern, Juden und Europäern bewohnt wurde. Das war, bevor die Streitigkeiten zwischen Griechen und Türken eskalierten. Das kleine Mädchen kommt 1905 zur Welt, wird aber erst nach einem langen Leben erfahren, woher sie eigentlich kam und wer ihre Eltern waren.
Der Anfang liest sich schwer, man braucht lange Zeit, um ins Buch reinzukommen. Es ist verwirrend und oft weiß man nicht, von welcher jungen Frau gerade die Rede ist. Geht es um Juliette, um Edith oder um Schehezerade? Ich hatte da zunächst einige Schwierigkeiten und erst als ich die Familienverhältnisse für mich geklärt hatte, wurde es einfacher, die Geschichte zu verfolgen.
Es wird die Geschichte dreier Frauen erzählt. Da ist zunächst einmal Juliette, die aus einer ursprünglich französischen Familie stammt, die aber schon seit Generationen in Smyrna ansässig ist.
Juliette bringt neben ihren älteren Kindern als Nesthäkchen Edith zur Welt. Dieses Kind ist ein Kuckuckskind, was aber lange Zeit und bis nach dem Tode des Familienvaters niemand erfährt. Auch Edith selbst wird erst darüber aufgeklärt, als sie das Vermögen ihres leiblichen Vaters erbt.
Edith ist ein freiheitsliebendes Kind, was in der doch zum Teil sehr konservativen Stimmung in Smyrna nicht jedem gefällt, vor allem ihrer Mutter nicht. Nach dem Tod ihres leiblichen Vaters löst sie sich daher aus dem Familienverband und bezieht allein das geerbte Haus. Ihr indischer Partner Avinash Pillai steht ihr dort zur Seite. Ihr Leben und ihre Besonderheiten nehmen einen Großteil des Buches ein, parallel wird aber auch immer wieder aus einer griechischen und einer türkischen Familie berichtet. Hier geht es um unterschiedliche Zeiten, was das Lesen nicht unbedingt einfacher macht.
Dass Edith eine Tochter hatte, die sie bei der Geburt abgeben musste und von der sie seither glaubte, dass sie die Geburt nicht überlebt habe, wird zwar immer mal wieder angeschnitten, Einzelheiten dazu erfährt man aber erst zum Ende hin. Und damit lösen sich dann auch endlich viele Unklarheiten auf und viele Fragen werden beantwortet.
Smyrna muss nach den Schilderungen eine wunderschöne Stadt gewesen sein. Sie ersteht mit dem Lesen vor unseren Augen neu und ist mit dem heutigen Izmir wohl auch nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Es ist schön, dass sich Defne Suman diesem Thema angenommen hat und in gewisser Weise ist ihr Buch auch ein Beitrag zur Völkerverständigung zwischen Griechen und Türken. Man hat den Eindruck, die Menschen allein kamen gut miteinander aus. Erst die Politik, die Einmischung der Westeuropäer und die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Ermordung tausender unschuldiger Menschen hat die bis heute andauernden Spannungen zwischen Griechen und Türken befeuert.