(Natur-)Gewalt

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justm. Avatar

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Amaia Salazar landet als eine der besten Polizistinnen Spaniens für einige Zeit beim FBI, nur um dort auf die Spur eines Serientäters zu stoßen, der immer dann zuschlägt, wenn bereits die Natur ihre wütenden Spuren hinterlassen hat.

Klappentext und auch Buchbeginn haben so viel versprochen, konnten dann aber leider wenig von diesem anfänglichen Potential halten.

Das mag zum Einen an den fast schon erschlagenden 640 Seiten Umfang liegen, zum Anderen aber ganz sicher an den unterschiedlichen Erzählsträngen, die meiner Meinung nach, nicht gut aufeinander abgestimmt waren und so nicht nur Tempo, sondern auch Spannung nahmen.

Autor*innen neigen ja dazu auf unterschiedlichen zeitlichen Ebenen zu erzählen, um so zum Beispiel die Vergangenheit ihrer eigenen Ermittler*innen zu beleuchten. Das ist hier nicht anders.
Und so springt Dolores Redondo immer wieder in die Vergangenheit ihrer Protagonistin, hatte diese doch keine einfache Kindheit.
Auch wenn dieser Strang sicher seine Wichtigkeit hat, so schafft er es nie wirklich aufregend oder spannend zu werden. Dazu driftet das Ganze irgendwann zu sehr in Richtung (Aber-)Glauben ab und das ohne wirklich aufzuklären, was damals tatsächlich passiert ist.

Aberglauben und Mystisches spielen auch auf der „Jetzt“-Ebene eine Rolle, denn die Ermittlungen verschlagen Amaia und einige andere FBI-Agenten nach New Orleans. Und als wäre der Ort allein nicht genug, passiert das Ganze zur Zeit von Hurrikan Katrina.
Eine amerikanische Tragödie, über die ich hier aber eigentlich nichts lesen wollte, die dann aber doch Dreh-und Angelpunkt für diese und eine weitere Ermittlung, und somit einen weiteren (meiner Meinung nach unnötigen) Erzählstrang, wurde.

Letzten Endes muß ich mir wohl eingestehen, daß mich das Buch enttäuscht hat.
Ich hatte mir einfach sehr viel mehr von der Geschichte rund um den Serien-Täter versprochen; war doch die Idee, die dahinter steckte einfach so wahnsinnig gut.
Doch durch das ständige Hin- und Herspringen zwischen Ort, Zeit und Personen entstand für mich keinerlei Spannung. Selbst die Lösung des Falles wirkte am Ende eher wie eine nebensächliche Kleinigkeit.

Und so scheinen Geschichte und Buch, trotz mehr als 600 Seiten, irgendwie unfertig, was aber auch daran liegen mag, daß „Todesspiel“, wie Redondo zum Ende des Buches hin erklärt, Teil eines Romanzyklus ist.

Leider hab ich vorweg Autorin und Werk nicht genauer unter die Lupe genommen, sonst hätte ich gewußt, daß bereits drei Bände rund um Amaia Salazar entstanden sind, die aber, soweit ich das herausgefunden habe, zeitlich erst nach "Todesspiel" angesetzt sind.
Auch wenn man dieses Buch wohl getrost ohne das Vorwissen dieser Baztan-Trilogie lesen kann, so hab ich immer ein ungutes Gefühl, wenn ich unvermittelt in Buch-Serien stolpere, weil der Gedanke, das ein Puzzleteil fehlt oder doch fehlen könnte, nie ganz verschwindet.

Fazit:
Vermutlich hätten 200 Seiten weniger nicht nur in Sachen Spannung geholfen, sondern auch was das Lesetempo angeht. So aber zog sich die Geschichte für mich irgendwann nur noch und ich war letztlich froh, als ich das (wenn auch unbefriedigende) Ende erreicht hatte.
Ein Buch, das sein durchaus vorhandenes Potential leider durch unnötige Längen und scheinbar überflüssige Erzählstränge nicht ausgeschöpft hat. Schade!