Die Schatten alter Sünden

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owenmeany Avatar

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Dieses Buch habe ich in der leicht gekürzten Hörbuchfassung kennen gelernt, in der Nina Petri mit ihrer fein nuancierten Stimme die Spannung des Zuhörers bis zur letzten Sekunde aufrecht erhält.

Vordergründig ein Krimi, kristallisiert sich die Geschichte als Schicksalsroman mehrerer Frauen im Spanien des ausgehenden Franco-Regimes heraus. Dass es nicht nur um einen Mordfall geht, erfährt man erst viel, viel später, aber wichtiger als die Taten selbst sind die Motive, die dahinter stehen.

Die Struktur der Story arbeitet mit Rückblenden, die in immer schnellerem Rhythmus ineinandergreifen. Sieben Frauen, die im Jahr 1974 gemeinsam ihr Abitur bestanden, treffen sich 33 Jahre später. Aus den meisten ist etwas geworden: eine Ärztin, eine Anwältin, eine Diplomatengattin, sogar eine Oscar-Preisträgerin. Klassentreffen lassen niemanden kalt: manche lieben sie, manche verabscheuen sie. Das hängt ab vom menschlichen Zusammenhalt: ob er Wurzeln in der gemeinsamen Vergangenheit ausbildete und diese bewahren konnte, oder ob die neue Begegnung nur der Zuschaustellung von Trophäen dient, seien es Kinder oder Karriere, das kann besonders unter Frauen problematisch sein.

Mit viel Einfühlungsvermögen und glaubwürdig entwickelt Barceló die Charaktere. Auslöserin der ganzen Verwicklungen war eine durchweg negative Figur, die lediglich in ihrer Funktion als Katalysator sehr eindimensional dargestellt wird. Der Autor hätte meiner Ansich noch mehr die Zeitumstände einfließen lassen können, denn immerhin war Spanien damals schon seit Jahrzehnten von einem totalitären Regime beherrscht gewesen, das die Mentalität seiner Einwohner sicherlich nur deformieren konnte.

Manche Handlungswendungen gegen Ende gehen für meinen Geschmack schon ein bisschen in Richtung Räuberpistole, gewisse Elemente in der Darstellung finde ich auch nicht ganz glaubwürdig für eine junge spanische Frau im Jahr 1974. Aber so etwas hat man Hitchcock ja auch nie vorgeworfen, wenn man nach einem spannenden, mitreißenden Film begeistert aufseufzend seinem Kinosessel entstieg.