Eine fesselnde Familiensaga vor historischem Hintergrund

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Im Jahr 2010 wird in Berlin das Soho House eröffnet, ein exklusiver Privat-Club. Unter den Gästen befinden sich Elsa und Bernhard, das Gebäude war vor 80 Jahren ihr Geburtsort.
Berlin, zur Zeit der Inflation, die Eröffnung des Kaufhauses Jonass & Co. wird mit Musik und Sekt gefeiert. Die Verkaufstische quellen über von erlesenen Waren, die auch auf Kredit zu erhalten sind. Mitten im Gewühl von Menschen befindet sich die junge Angestellte Vicky Springer. Sie erwartet ein Kind von Harry Grünberg, dem Sohn des jüdischen Kaufhausbesitzers. Überraschend setzen die Wehen ein und Vicky bringt in der benachbarten Poststelle eine Tochter zur Welt, Elsa. Zur gleichen Zeit wird dort Bernhard geboren, der Sohn des Zimmermanns Wilhelm Glaser und seiner Frau Martha.
Harry hat nicht den Mut, sich öffentlich zu seiner Tochter zu bekennen. Vicky findet Trost und Hilfe bei ihrer Freundin Elsie und bei Wilhelm.
Elsa und Bernhard feiern ihre Geburtstage zusammen, werden Spielgefährten und entdecken gemeinsam die erste Liebe.
Vicky muss miterleben, wie Harry und seine Familie enteignet und von den Nationalsozialisten vertrieben werden. Um ihre Tochter in dieser Zeit zu schützen, heiratet sie den Nazi Gerd Helbig.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Teilung Berlins leben Bernhard und seine Familie im Osten. Vicky und Elsa sind im Westen der Stadt Zuhause. Mittlerweile haben Elsa und Bernhard andere Partner gefunden. Beide Ehen bestehen aus unterschiedlichen Gründen nicht lange. Die Mauer trennt beide Familien, die dennoch in Kontakt zueinander bleiben. Elsa kommt einige Male in den Osten, um sich mit Bernhard zu treffen.
Nach 80 Jahren und wechselnder Geschichte der Torstraße 1 treffen sich beide wieder und lassen ihr Leben Revue passieren. Zudem birgt ein Raum des jetzigen Soho Houses ein Geheimnis aus der Vergangenheit.


Torstraße 1 ist der zweite Roman der Berliner Autorin Sybil Volks, die selbst unweit dieser Straße lebt. Das Haus existiert wirklich und die Autorin versteht es meisterhaft, die wechselseitige Geschichte des Gebäudes und das Schicksal zweier Familien zu verknüpfen. Die einstigen jüdischen Besitzer konnten genauso wie Harry und seine Familie emigrieren und die NSDAP nutzte das Gebäude für Ausstellungen. Nach dem Krieg residierten Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl im „Haus der Einheit“ und danach zog das Institut für Marxismus-Leninismus dort ein. Hier arbeitet später Bernhard. Ein neues Kapitel wurde erst nach der Wende, mit dem Soho House Berlin, eröffnet.
Sybil Volks nimmt ihre Leser mit auf eine beeindruckende Zeitreise in die deutsche Geschichte. Die Handlung besticht durch starke Gefühle, Spannung und gut dargestellte Protagonisten. Die Romanfiguren sind sowohl starke als auch schwache Charaktere. Die einen trotzen den Wirren ihrer Zeit, wie Vicky und Wilhelm, die anderen zerbrechen daran, wie Wilhelms Frau Marta.
Die Autorin knüpft geschickt ein enges Band zwischen beiden Familien. Dieses reißt auch nicht, als eine Diktatur von einer anderen abgelöst und Berlin durch die Mauer geteilt wird. Immer wieder zieht es Elsa und Bernhard zueinander hin.
Das Buch hat mich vom Beginn bis zum Ende durch Stil und präzise Gestaltung gefesselt. Wie in einem Film lässt die Autorin ihre Leser an bewegenden geschichtlichen Abläufen und am Leben zweier Familien teilnehmen. Ein Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte und sehr gerne gelesen habe.