Innerdeutsche Geschichte mit Herz

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
allegra Avatar

Von

Dieses Buch ist eine Familiensaga, die die Geschichte zweier miteinander befreundeter Familien von 1929 bis in die Gegenwart erzählt. Drehpunkt ist das Haus Torstraße 1 in Berlin, das genau wie die Menschen im Buch eine sehr wechselhafte Geschichte durchlebt.

Die Eröffnung des Kreditkaufhauses Jonass ist der Geburtstag von Elsa, die im Jonass selber auf die Welt kommt und dem kleinen Bernhard, dessen Vater bei Elsas Geburt ihrer Mutter beisteht. Durch diesen Zufall sind die beiden Familien unentrinnbar miteinander verbunden.

Die Charaktere der Hauptfiguren sind sehr liebevoll herausgearbeitet und machen eine Entwicklung durch, die nicht zu letzt durch die politischen Wirren der Zeit geprägt ist. Als die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, muss Familie Grünberg, die das Jonass besitzt, in die USA auswandern. In dem Haus wird in den folgenden Jahren die Hitlerjugend organisiert. Nach dem Krieg wird es zur Zentrale der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.
Die Figuren verhalten sich völlig unterschiedlich und werden oft von Zweifeln und Ängsten geplagt. Sie arrangieren sich zum Teil mit dem System, profitieren auch nicht wenig von den Ungeheuerlichkeiten, die sich abspielen. Und doch bleiben sie menschlich, und ihr Handeln nachvollziehbar, weil man durch die Liebe, die sie verbindet, alles in einem etwas anderen Licht steht.

Das Buch ist in längere Kapitel eingeteilt, die die historisch unterschiedlichen Abschnitte widerspiegeln. In der Haupthandlung, die aus den verschiedenen Perspektiven der Protagonisten vorangetrieben wird, sind die Geschehnisse der Zwischenzeiten als Rückblicke eingestreut. Das ist manchmal etwas verwirrend, man merkt aber meist schnell, in welcher Zeit man sich befindet, vorausgesetzt man ist etwas vertraut mit den Meilensteinen der Geschichte.

Die Ausdrucksweise von Sibyl Volks hat mir sehr zugesagt. Sie verwendet Ausdrücke, die für die entsprechende Zeit passend sind. Es kommt aber nie zu Verständnisschwierigkeiten, weil man die Bedeutung aus dem Kontext erkennen kann. Ein paar Kenntnisse über das Leben in der DDR wären hilfreich gewesen. Da steht es bei mir nicht zum Besten, aber ich habe das Buch dennoch genießen können und ich bin sicher, dass ich bei einer erneuten Lektüre wieder andere Aspekte finden würde, die mir beim ersten Mal entgangen sind.


Mein Fazit:

„Torstraße 1“ erzählt einige wichtige Kapitel der innerdeutschen Geschichte aus unterschiedlicher Perspektive. Man erkennt Bedenken und Ängste von ganz normalen Menschen und kann sein Geschichtsbuchwissen durch neue Eindrücke ergänzen.
Mich hat das Buch richtig gefesselt, da mich immer sehr interessiert, wie ganz normale Menschen diesen Wahnsinn, der sich in relativ wenigen Jahren abgespielt hat, überleben konnten.

Von mir erhält dieses sehr wichtige Buch seltene 5 Sterne.