Ein bitterböses, derbes und recht schräges Leseabenteuer

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INHALT
Ein rasant geschriebener Thriller, Spannung bis zur letzten Seite!
Cosinus Gauß ist als Anwalt trotz seiner Tricksereien nicht zu Reichtum gekommen. Er ist ein Mann in den besten Jahren, aber beziehungsunfähig, weil er aufgrund der tyrannischen Erziehung seines Vaters keine Empathie empfindet.
An POTS (Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom) leidend, ereilen ihn plötzliche Ohnmachten in den unpassendsten Momenten.
Als er eines Morgens in einem Hotel neben der blutüberströmten Leiche einer jungen Frau erwacht, versucht er krampfhaft die Geschehnisse des Vorabends in einem Club zu rekonstruieren. Er verschwindet unerkannt, aber eine unscharfe Aufnahme einer Überwachungskamera des Hotels taucht in den Medien auf.
Die Polizei sucht jedoch vorerst nach einem abgetauchten Immobilientycoon, der Gauß ähnelt.
(Quelle: Carl Ueberreuter)

MEINE MEINUNG
Mit seinem neuesten Roman „Tote Vögel singen nicht“ beschert uns der österreichische Autor Christian Klinger ein unterhaltsames, humorvolles und ziemlich schräges Leseabenteuer, in dessen Mittelpunkt der etwas zwielichtige und recht unsympathisch daher kommende Wiener Anwalt Cosinus Gauß steht. Vom Verlag interessanter Weise mal als Thriller und mal als Kriminalroman zugeordnet ist „Tote Vögel singen nicht“ auf jeden Fall ein sehr ungewöhnlicher Spannungsroman, an dem sich sicherlich die Geister scheiden werden. Und dies liegt vor allem an der sehr gewöhnungsbedürftigen Hauptfigur Cosinus Gauß und einer derben, recht sexistischen Sprache, die natürlich hervorragend passt zu diesem windigen, geld- und sexbesessenen Anwalt, der es mit Recht und Gesetz nicht allzu genau nimmt und sich ziemlich fragwürdiger Ermittlungsmethoden bedient.
Nach einem äußerst skurrilen Auftakt, bei dem sich der Protagonist in einer äußerst misslichen Lage befindet, nur mit knapper Not fliehen kann und sich nun gezwungen sieht, auf eigene Faust die Hintergründe zu ermitteln, befinden wir uns schon bald mittendrin in den sehr turbulenten Nachforschungen. Diese führen uns nicht nur in skrupellose Unterwelt, mit der Gauß beruflich stark verbandelt ist, sondern auch in die schillernde und äußerst korrupte Welt der Reichen, Schönen und Mächtigen der Stadt. Der Autor lässt uns mit viel Augenzwinkern und bitterbösen Seitenhieben in einen etwas bizarren und sehr undurchsichtigen Fall eintauchen, der für Kenner der österreichischen Politik durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit dem legendären „Ibiza-Fall“ aufweist. Mit dem gewissen politischen Insider-Wissen mag man hier so einige reale Persönlichkeiten unter den Wiener Politgrößen erkennen und sich köstlich amüsieren über die hier so trefflich geschilderte politische Kultur in Österreich. Mit seinem abgehalfterten, etwas schlicht gestrickten Anwalt Cosinus Gauß hat der Autor einen Unsympathen und wirklichen Antihelden geschaffen, der in etliche Fettnäpfen tritt, oft mehr Glück als Verstand hat und von einer misslichen Lage in die nächste stolpert. Höchst amüsant sind da schon seine Ohnmachtsanfälle zu unpassendsten Zeit, für die sich mit POTS schließlich eine medizinische Erklärung findet. Neben Gauß mangelt es auch nicht an etlichen verschrobenen, bemerkenswerten und teilweise recht überzeichneten Charakteren. Zu meinem besonderen Highlight gehörte die clevere und sehr patente Sekretärin, von der ich gerne noch mehr gelesen hätte.
Mit hohem Tempo treibt der Autor seine kuriose Handlung voran, präsentiert uns schier unglaubliche Verwicklungen und lässt den Fall schließlich in einem fesselnden Showdown gipfeln, der mich doch sehr überraschen konnte.
Der Autor verwendet einen sehr flotten Schreibstil; angereichert mit einer ordentlichen Portion Wortwitz, bissigem Humor und Situationskomik konnte mich der etwas abgedrehte Roman insgesamt gut unterhalten.

FAZIT
Ein unterhaltsames, turbulentes und ziemlich schräges Leseabenteuer mit viel derbem Humor und einem gewöhnungsbedürftigen, sehr unsympathischen Protagonisten, der aber auch seinen besonderen Charme entwickelt.