Wer tötete Schneewittchen?

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hennie Avatar

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Bereits der allererste Satz kann eine feinsinnige Seele schon zusammenzucken lassen. Aber das sollte man bei einem Thriller aushalten können. Da geht es schon mal ruppig zu. Allerdings gehörte diese Story für mich nicht zu diesem Genre.

Der Klappentext und das Cover in seiner morbiden Zartheit (die tote Blaumeise auf ihrem weißen Blütentotenbett) ließen mich einen spannenden Thriller erwarten. Die Hauptfigur heißt Cosinus Gauß (für diesen Namen gibt es von mir ein Daumenhoch). Er ist ein erfolglos agierender Anwalt und gerät für ein einvernehmliches Treffen zum Sex mächtig in die Bredouille. Eine seltene Krankheit (POTS - Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom) läßt ihn urplötzlich und zu ungünstigsten Zeiten in Ohnmacht fallen. Sein Erwachen in dem Hotelzimmer neben der blutigen weiblichen Leiche ist schrecklich und die Situation für ihn stellt sich aussichtslos dar! Alle Indizien weisen auf ihn als Täter! Cosinus beginnt sofort mit den Ermittlungen, weil jede Minute zählt.

Soweit ist das ein guter Ansatz für eine spannende Geschichte. Doch aus der Sicht von Cosinus zerfasert das Geschehen hauptsächlich mehr und mehr zu einer Charakterisierung seiner unsympathischen Person. Da nur aus der Ich-Perspektive über die ca. 190 Seiten berichtet wird, die Stimmungen und Gefühle der Hauptfigur im Zentrum sind, erhalten die anderen Charaktere keinen Tiefgang. Den Figuren, einschließlich Gauß, bleibt keine Zeit zur Entwicklung. Probleme werden nur angerissen und kommen eruptiv zumeist in verbalen Ausdrücken zum Vorschein.
Die Sprache ist schon ziemlich derb, vulgär, ätzend und vor allem sexistisch. Das wirkte abstoßend und nervte mich mit der Zeit sehr. Es kam mir bald nur noch gewollt und aufgesetzt vor, irgendwie künstlich. Das Arschloch habe ich so der Figur des Cosinus Gauß nicht abgenommen, lieber Autor Christian Klinger.
Trotz der guten Einfälle (Treuetest-Agentur, die seltene Krankheit, die Verstrickungen mit der Politik u.a.m.) überwiegt in der Handlung das Negative. Cosinus gerät von einer heiklen Lage in die nächste, wobei seine Gesamtsituation vor dem Mord eh schon prekär war. Deprimierend!
Der explosive Schluß paßt damit ins Gesamtbild, ein irres, überzogenes Ende. Leider insgesamt eine Geschichte, die mich nicht überzeugen konnte. Ein wie versprochen rasant geschriebener Thriller war es nicht!

Wem ich dieses Buch empfehlen soll? Vielleicht am ehesten noch Männern, die sich an der Sprache und am Frauenbild des Cosinus Gauß nicht stören?

Mehr als zwei Sterne möchte ich für diese Story nicht vergeben.