Ein Pageturner mit kleinen Schönheitsfehlern

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Es lässt sich gewiss nicht leugnen, dass das Erstlingswerk „Totenpfad“ von Elly Griffiths gewisse Schwächen aufweist. Beispielsweise ist die bisherige Ermittlungsarbeit im Fall des vor zehn Jahren verschwundenen Mädchens für mich nicht immer logisch und nachvollziehbar. Der Spannungsaufbau hält sich für einen Krimi sehr in Grenzen und leider hatte ich auch schnell die (richtige) Vermutung, wer der „Täter“ ist. Aber was hat das Buch dennoch an sich, dass ich es fast gar nicht aus der Hand legen konnte und „enttäuscht“ war, als die Geschichte nach gut 300 Seiten schon ein (vorläufiges) Ende gefunden hatte?

Die Stärken von Griffiths Erstlingswerk liegen eindeutig im Bereich der beeindruckenden Landschaftsbeschreibungen und der Charakterisierung und Entwicklung ihrer Protagonisten. Die mich bereits in der Leseprobe faszinierenden Natur- und Landschaftsbeschreibungen setzten sich im ganzen Roman fort, so dass mir die jeweiligen Schauplätze sehr deutlich veranschaulicht wurden. Damit einhergehend schafft Griffith eine den Leser in den Bann ziehende Atmosphäre, die es mir schwer machte, Lesepausen einzulegen. Die Protagonisten Ruth Galloway (forensische Archäologin) und DCI Harry Nelson werden sehr ausführlich in ihrem Alltag und ihren persönlichen Facetten beschrieben. Dies mag für den ein oder anderen Krimi-/Thrillerfan sicherlich etwas zu viel des Guten sein, doch mir gefällt gerade das sehr gut. Ich konnte mich aufgrund dessen gut mit den Charakteren identifizieren und halte dies für den Einstieg in die angedachte Reihe um diese beiden Figuren für sehr geeignet, wenn nicht sogar für unverzichtbar. Lediglich Ruths ständige Sorgen um ihr Übergewicht wurden mir irgendwann zu viel.

Die Leserin bzw. der Leser dieses Buches sollte jedoch auch grundsätzliches Interesse an Archäologie mitbringen, da diese schwerpunktmäßige Ausrichtung der geplanten Reihe einen der Pluspunkte dieses Romans ausmacht. Für meinen Geschmack könnte es sogar noch ein wenig mehr sein, in dieser Hinsicht hoffe ich auf die Folgebände.

Wie bereits oben erwähnt hatte ich schon schnell eine Vorstellung, wer der „Täter“ sein könnte. Dennoch hat Griffith es geschafft, mich durch diverse Verästelungen der Geschichte bei der Stange zu halten. Auch wenn sich meine Tätervermutung als richtig herausstellte, bot die Auflösung des Falls doch noch die ein oder andere Überraschung für mich. Doch nicht nur der Showdown des „aktuellen Falls“ hat mir gefallen, Griffith schafft es durch die Entwicklung der persönlichen Probleme der Protagonisten am Ende ihres Werkes auch noch, die Neugier des Lesers auf den Folgeband - so der Leser sich denn mit Ruth und Harry identifizieren konnte - erheblich zu wecken.

Alles in allem hat mir das Debut von Griffiths sehr gut gefallen. „Totenpfad“ ist sicherlich kein reißerischer Thriller, überzeugt aber durch seine Atmosphäre, die Entwicklung seiner Charaktere, die wunderbaren Landschaftsbeschreibungen und - insbesondere für mich - durch das eingeflochtene Element "Archäologie". Hinsichtlich der anfänglich erwähnten Kritikpunkte halte ich der Autorin zugute, dass es ihr erster Roman ist; die Lektüre hat mir so viel Freude bereitet, dass ich schon sehnsüchtig die Fortsetzung erwarte. Vielleicht gelingt es Griffiths dann ja auch, das ein oder andere Anfängerproblem erfolgreich zu bewältigen.