Ganz klar ein Roman, weniger ein Krimi

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
annajo Avatar

Von

Die fünfjährige Lucy Downey verschwindet spurlos aus dem Haus ihrer Eltern. Das ist nun zehn Jahre her und immer noch fehlt jede Spur von Lucy oder ihrem Leichnam. Der die Ermittlungen leitende DCI Harry Nelson muss sich massive Kritik deswegen gefallen lassen, zumal der vermeintliche Täter die Polizei seit Jahren mit Briefen und rätselhaften Andeutungen verhöhnt. Als im Moor Knochen eines Kindes gefunden werden, wird die forensische Archäologin Dr. Ruth Galloway zu den Ermittlungen hinzugezogen. Sie kann die Knochen zwar als aus der Eisenzeit stammend identifizieren, wird jedoch weiter in die Ermittlungen eingebunden, da der Briefeschreiber starken Bezug auf eisenzeitliche Rituale nimmt und archäologische Fachbegriffe verwendet. Trotz Ruths anfänglicher Gegenwehr und ihre Abneigung gegen Nelsons ungehobeltes Verhalten ist sie vom Fall zunehmend fasziniert - und von Nelson nicht minder. Als ein weiteres kleines Mädchen verschwindet, drängt plötzlich die Zeit. Und die Spur führt schließlich ins Moor, zu einem geheimnisvollen, prähistorischen Dammweg und einem mystischen Henge.

Dieses Buch ist vom Verlag ganz klar als Roman eingeordnet, und genau das ist es auch. Es ist weder ein Krimi noch ein Thriller und dementsprechend bleibt auch die atemberaubende Spannung aus, die man von diesen erwarten darf. Dafür gibt es eine ruhige Kleinstadt, eine nicht ganz so perfekte Protagonistin, die in der Einöde lebt, weil sie nicht gern Menschen um sich hat und die Düsternis des englischen Moores, das so manch historisches Geheimnis birgt. Unter dem Etikett des Romans kann sich die Autorin in Ruhe den archäologischen Details widmen und einen kleinen Einblick in das prähistorische Leben geben. Eher zufällig gerät die Protagonistin zudem in eine Mordermittlung, in der sie sehr aufgeht und die auf ihr Expertentum angewiesen ist.
Ruth Galloway ist eine sympathische Protagonistin mit vielen Selbstzweifeln und einer Konfektionsgröße \> 38. Sie unterhält sich lieber mit ihren beiden Katzen als mit ihrer Freundin über deren Männerprobleme. Hinzu kommt der grummelige, einschüchternde, aber doch liebenswerte Harry Nelson und die beiden geben ein tolles und charmantes Ermittlerpaar ab.
Allerdings waren die verschiedenen Verwicklungen sowie das Ende schon deutlich früh vorhersehbar. Mit all den kleinen Hinweisen, die aufgedeckt werden und wenn man dann Schritt für die Schritt die Besetzung der Geschichte durchgeht, wird nur allzu schnell deutlich, wer wie in die Sache involviert ist. Schade, ein bißchen mehr Spannung hätte schon sein dürfen, doch dafür ist der Ort King's Lynn wahrscheinlich nicht groß genug gewesen.

Für mich hat der archäologische Anteil die Geschichte gerettet und ich bin nun doch auf einen weiteren Teil gespannt, da sich neue Entwicklungen andeuten. Zudem würde ich gern wissen, in welcher Art von Fall Ruth noch helfen kann mit ihrem doch eher begrenzten Expertengebiet. Ansonsten war dies für mich einfach ein klassischer, düsterer, britischer Kleinstadt"krimi" bzw. Roman, für den ich die aufgewendete Lesezeit nicht als Verschwendung betrachte und der als Roman seine unterhaltsamen Seiten hatte.