Kein richtiges Eis - eher Halbgefrorenes

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
singstar72 Avatar

Von

Bei diesem Buch kommt es wohl, wie so oft, darauf an, was man erwartet. Man kann es als unterhaltsame Lektüre betrachten, sich von der nun wirklich nicht gerade ereignisarmen Geschichte der Familie Pankofer mitziehen lassen. Wenn man allerdings mit dem kritischen Auge des erfahrenen Lesers historischer Romane an die Lektüre geht, wird man schon hier und da Bauchschmerzen bekommen.

Die historischen Fakten um "Jopa-Eis" sind denkbar dünn, also war klar, dass es hier eher um eine Familiensaga gehen würde. Diese ist im weitesten Sinne "handelsüblich" geschildert. Viele Verwirrungen, immer wieder Familienstreits, plötzliche Schicksalsschläge, Wendungen in letzter Minute. Mei, a bisserl weniger hätt`s hier auch getan. Es kommt einem beim Lesen der Verdacht, die Autorin habe auf Biegen und Brechen so viele Wendungen wie möglich unterbringen wollen.

Wirklich nett sind die Nebenfiguren gelungen - Fanny, die Küchenhilfe, sowie Ludwig, der Stammgast. Beide reden durchweg Bayrisch, was unterhaltsam und größtenteils gelungen war. Dafür geraten die Dialoge zwischen den Hauptfiguren leider oft hölzern, manche Wendungen sind geradezu vorhersehbar. Wie oft man hier "Ja, das stimmt" oder ähnliches zu lesen bekam, kann ich schon nicht mehr zählen. Auch sehr gestört hat mich die inflationäre Verwendung von "sogleich" und "alsbald". Und das Eis wurde immer wieder als die "süße Köstlichkeit" bezeichnet; keinerlei Variation im sprachlichen Ausdruck. Hier war meines Erachtens das Lektorat nicht gründlich.

Immer wieder schleichen sich auch inhaltliche Fehler ein - Figuren haben plötzlich andere Namen oder verschiedene Hintergründe, so als habe man beim abschließenden Lektorat verschiedene Fassungen des Textes munter miteinander vermischt.

Ebenfalls nicht ganz gelungen waren die zeitgeschichtlichen Hintergründe; es wurde schon sehr penetrant und durchaus nicht immer passend auf der Weltwirtschaftskrise und dem Wiedererstarken der Nationalsozialisten herumgeritten.

Was gelungen war, ist eine gewisse "Flüssigkeit" des Plots - wie gesagt, mit unkritischem Auge durchaus lesbar. Auch recht nett waren die Hintergrundinformationen rund um die Eisherstellung. Erstaunlich, wie umständlich der Prozess damals war!

Letzten Endes würde ich dem Buch eine mittlere Bewertung zugestehen.