Von Denkern, Machern und Träumern

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Was das Kinderbuch „Träumer“ von Mark Janssen auszeichnet, sind in meinen Augen die traumhaft schönen Illustrationen. Sie sind unglaublich ästhetisch und anmutig. Ein visuelles Highlight. Tolle Lichteffekte, eine herrliche Farbgebung. Ich ziehe meinen Hut vor diesen kunstvollen Zeichnungen! Allein schon deswegen lohnt sich dieses Buch.

Der Inhalt ist ebenfalls bedeutungsschwer. Es geht um die Frage: Was willst du werden, wenn du groß bist? Ein sehr wichtiges Thema, wie ich finde. Eines, das Kindern immer einmal wieder durch den Kopf geht. Und Janssen schafft schon auf den ersten Seiten Neugier zu erwecken. Ein Vater will seinem Sohn eine Geschichte erzählen. Und das in einer symbolisch aufgeladenen Umgebung.
Der Vater weist seinem Sohn den Weg, so wie die Scheinwerfer des Autos Lichts ins Dunkel bringen. Der Junge, der den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, erhält Orientierung und Aufmunterung. Eine schöne Idee! Und dann ist da der Mittelteil des Buchs. Der junge Protagonist Aron erlebt eine Art Sinnesexplosion, als sein Vater ihm den Unterschied zwischen Machern, Denkern und Träumern erklärt. So wird direkt ohne viele Worte veranschaulicht, was Aron auszeichnet. Eine unglaubliche Fantasie, Kreativität und Einbildungskraft. Das ist sein Talent, das in seinem Inneren schlummert.

Der Vater begegnet seinem Sohn mit Wertschätzung und Verständnis („Was bist du nur für ein großer, lieber, kleiner, frecher Träumer!“). Er nimmt ihm seine Sorge und strahlt Zuversicht aus („Du musst dir keine Sorgen machen. Du wirst deinen Weg gehen.“). Und am Ende richtet der Autor sich in einem Nachwort selbst noch an seine jungen Leser:innen mit aufbauenden Worten. Eine schöne Botschaft, die hier vermittelt wird.

Dennoch gebe ich zu, dass ich vom Inhalt überrascht worden bin. Ich habe mit mehr Erklärungen von Seiten des Vaters gerechnet. Doch der Autor wählt einen anderen Weg und verzichtet auf einen „Erklär-Modus“. Er zeigt lieber, was Träumer auszeichnet. Der Mittelteil des Buchs ist überraschend, aber ich konnte mich darauf einlassen. Trotzdem könnte man noch einiges diskutieren (auch mit seinem Nachwuchs): Ist die Einteilung in Denker, Macher und Träumer sinnvoll und passend? Steckt nicht in jedem von uns von allem etwas? Und kann nicht ein Träumer zu einem Macher werden? Oder ist ein Denker nicht immer auch ein Träumer? Und warum sind Macher diejenigen, die nicht still sitzen können (vgl. S. 8). Darüber lohnt es sich nachzudenken und mit seinem Nachwuchs zu reden.

Auch habe ich mich gefragt, ob sich dieses Bilderbuch von der Konzeption mit solchen Büchern in einen Topf werfen lässt, die sich dem Begriff „Neurodiversität“ widmen (vgl. z.B. Wilma Wolkenkopf). Doch ich bin mir nicht sicher, vielleicht will der Autor auch genau einen anderen Weg einschlagen. Denn es geht in diesem Buch thematisch nicht um irgendeine „Diagnose“. Stattdessen wird ja ganz allgemein von „Träumern“ geredet und der Reichtum an Einbildungskraft veranschaulicht. Ich bin mir hier unschlüssig. Worauf der Autor genau hinauswill, kann wohl nur er selbst beantworten.

Fazit: Hier wird der wertschätzende Umgang mit solchen Kindern thematisiert, die häufiger einmal mit ihren Gedanken woanders sind, sich aber durch eine außergewöhnliche Kreativität und Fantasie auszeichnen. Der Vater von Aron erkennt seinen Ideenreichtum, lässt ihn zu und sieht darin etwas Positives. Und den Leser:innen dieses Buchs wird veranschaulicht, was für eine Sinnexplosion Aron zu erleben in der Lage ist. Im Kern geht es in meinen Augen darum, Individualität und Eigenheiten eines Kindes zuzulassen. Eine wichtige Botschaft, die hier inhaltlich vermittelt wird. Unterstützt wird der Text durch unglaublich schöne, kreative und anmutige Illustrationen, die zum Betrachten einladen. Ich gebe 5 Sterne!