Auf dem Drahtesel in die Zukunft

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„Trauer ist eine lange Reise“: Der Titel drückt exakt das aus, worum es in dem Buch von Kabarettist und Buchautor Georg Koeniger geht: Um eine körperlich, psychisch wie auch geografisch anstrengende Reise mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg – und die damit verbundene Trauerbewältigung angesichts des Todes seiner krebskranken Ehefrau.

Bei der traurigen und eigentlich wider Willen angetretenen „Auftragsarbeit“ auf dem „Camino“ ist von Pilgerromantik anfänglich nicht viel zu spüren: „Ganz hübsch, aber alles schon mal da gewesen“: Dieses Zitat des Autors im Hinblick auf landschaftliche Gegebenheiten kommt auch dem Leser in den Sinn angesichts Koenigers weitschweifiger Erläuterungen eines relativ erlebnisarmen Reiseauftaktes. Der jedoch steigert sich zum Ende hin deutlich - mit mehr oder minder enttäuschenden aber auch berührenden zwischenmenschlichen Begegnungen, kauzigen Bekanntschaften, exzentrischen länderspezifischen Gepflogenheiten, kuriosen Begebenheiten und tiefen Gefühlen – allen voran die rührende Szene am „Cruz de Ferro“.
Höhen und Tiefen des Jakobsweges – sie gleichen sich mit lange gehegten Hoffnungen und bitteren Enttäuschungen der im Rückblick geschilderten persönlichen Erfahrungen Koenigers im Hinblick auf die Leiden seiner Frau. Den durch Krankheit und Tod gekennzeichneten emotionalen Input für den Leser ruft der Autor durch eine unverschnörkelt realistische und doch gefühlvolle Beschreibung des Leidensweges hervor. Mit einer gehörigen Portion literarischem Feingefühl gelingt es ihm jedoch, bei seinen Lesern keinen sentimentalen Emotionsmüll abzuladen, sondern vielmehr einen empfindsamen Aha-Effekt zu erwecken: So ist es also, werden die denken, die eine solche Erfahrung nicht durchmachen mussten. Genau so ist es, werden die „erfahrenen“ Leser bestätigen, die sich in manchen Ereignissen und Gefühlslagen wiederfinden - vom ersten Schock der Krebs-Diagnose über die lange gemeinsame Leidenszeit, in der sich „das Leben verschiebt“, bis zum Tod und dem schwierigen und dennoch hoffnungsvollen Blick nach vorn.

Trotz – oder gerade wegen – der schwierigen Situationen im vergangenen Privatalltag wie auch auf dem Jakobsweg lässt Königer sein kabarettistisches Handwerkszeug in Form von Wortwitz und bissigen Bemerkungen einen Monat, zweieinhabtausend Kilometer und 256 Buchseiten lang nicht ganz auf der Bühne zurück, sondern würzt seine persönlichen Erlebnisse mit jeder Menge kabarettistisch-humorvollen Einlagen: Köstlich die zuweilen gar philosophisch-beschwingten Gedanken zu den (selbst gestellten) Fragen, ob Gott bei der Schöpfung wirklich wusste, was er tut, wie wohl die Realität des „Märchens vom heiligen Jakob“ laute - und nicht zuletzt, woher das Geld für die vom „Blattgoldinferno“ gekennzeichneten prunkvollen klerikalen Bauten kam.
Damit - wie auch mit manchem Einblick hinter die Kulissen der kabarettistischen Bühnenwelt - gönnt er sich selbst wie auch seinen Lesern deutliche Entspannungsmomente.
Fazit:
Ein ehrlicher Bericht in allen Erzählsträngen – und einer, der trotz des anfänglich leicht spannungslosen Tretmühlencharakters auf dem Jakobsweg nach und nach an Fahrt aufnimmt, am Ende manchem Leser ein Tränchen der Rührung in die Augen treibt – und allemal lesenswert ist.