Lesenswert! mit Ausrufungszeichen

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ilonar. Avatar

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Die Postkarten an die Lieben daheim und in der Welt schreibt Georg erst am Flughafen, als sich sein Rückflug unfreiwillig verspätet. Diese Rückreise ist die letzte Station seiner Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela und sie ist seine letzte Herausforderung bei diesem „Abenteuer“. Die in vielen Wochen langsam aufgebaute Gelassenheit droht innerhalb weniger Stunden verbraucht zu werden. Und doch kann Koeniger im Nachhinein aus einem neuen Leben auf diese Reise zurückblicken.
Georg und seine Frau Andrea sind zeitlebens viel gereist. Fahrradtouren und Kletterausflüge gehörten zu ihren großen Leidenschaften. Doch als Andrea im Sommer 2012 an Lungenkrebs erkrankt, bleiben weitere dieser Pläne auf der Strecke. Sollte sie wieder genesen, so ist Andreas großer Wunsch, noch einmal den Jakobsweg zu radeln, aber dieser Wunsch wird sich nicht erfüllen. Knapp ein Jahr nach der Diagnose verstirbt Andrea und ein weiteres Jahr später macht sich Georg auf die Reise, diesen Wunsch allein, ohne Andrea, aber in stetem Gedenken an sie, zu verwirklichen.

Sein Buch hat während der ganzen Reise zwei Erzählebenen. Da ist die eine ganz praktische, in der er seine Erfahrungen der Reise selbst zum besten gibt und da ist die zweite, die erinnernde und stellenweise sehr anrührende, in der er noch einmal die Monate der Krankheit bis zum Tod seiner Frau Andrea erlebt.
Andrea war Heilpraktikerin und als solche in vielerlei Hinsicht sehr gut vernetzt. Entsprechend erinnert sich Georg an die unterschiedlichsten alternativen Behandlungsversuche und die damit verbundenen sehr freundschaftlichen Beziehungen zu den Menschen. Er beschreibt, wie oft Freunde, seine oder Andreas oder beider Freunde da waren, wenn sein Beruf ihn immer wieder vom Krankenbett fort auf die Bühne trieb, denn Koeniger ist Kabarettist und damit auch oft unterwegs. Und so passiert es immer wieder, dass die Pflege seiner Frau und seine Vorbereitungen für ein neues Programm einfach nur die zwei Seiten der Medaille Georg Koeniger sind. Und nicht nur er fragt sich, ob den beides nebeneinander sein darf, ob beides Bestand haben kann.
Diese immer wieder auftretenden Selbstzweifel bestimmen einen Teil seiner Erinnerungen während seiner Pilgerfahrt, aber er erinnert ebenso die schönen Momente, daheim und auf Reisen, die er in 25 Jahren mit seiner Frau teilen durfte.
In den praktischen Kapiteln erleben wir den Radreisenden, der immer mal wieder „vom rechten Weg“, dem Jakobsweg, abweicht und sich die eine oder andere Nebenstrecke, die für das Radfahren besser geeignet scheint, erlaubt. Seine Begegnungen mit Landschaften, mit Städten und Menschen beschreibt er intensiv und immer mit einem feinsinnigen Humor im Hintergrund, der ihm auch dann nicht verloren geht, wenn er den eigenen Erinnerungen nachhängt.

Am Ende kommt ein veränderter Georg wieder zu Hause an. Stolz auf das Erreichte, friedlich ausgesöhnt mit seinen Erinnerungen und offen für ein neues Leben.

Ein absolut lesenswertes Buch.